Penelope Williamson
mit den Tränen kämpfen. Wie war es möglich, daß sie immer noch Tränen
hatte?
»Ich ... ich hatte gehofft, daß Tyl mich heiratet, Elizabeth. Er
... er heiratet mich aber nicht.«
»Ach Delia ...«, Elizabeth drehte sich um und blickte den sanft
ansteigenden Abhang hinauf, wo Susan und Tyl neben dem schwarzen Kessel
standen.
Delia schluchzte kurz, und dann hob sie trotzig den Kopf. »Bestimmt
werde ich eines Tages an all das denken, was hier geschehen ist, und mich
glücklich preisen, daß es so gekommen ist und nicht anders.«
»Ja, Delia! Vermutlich hast du recht«, sagte Elizabeth und nickte.
»Er ist ein guter Mann, aber ich könnte mir denken, daß Dr. Savitch kein
besonders guter Familienvater sein würde.«
Caleb erschien an der Reling und rief zu ihnen herunter, es sei
Zeit, an Bord zu gehen. Elizabeth eilte zu dem schmalen Steg, aber Delia blieb
zögernd stehen.
In ihren Augen standen die Tränen. Sie hatte
die ganze Nacht geweint und fühlte sich völlig zerschlagen. Sie hatte ein
flaues Gefühl im Magen, und die Qual in ihrem Herzen, das wußte sie, würde nie
vergehen. Sie war am Abend zuvor nicht in das Haus zurückgegangen, sondern
hatte sich in der Ruine des alten Forts in eine Ecke gekauert und solange
geweint, bis sie glaubte, ihr Herz würde brechen.
Gott, ich liebe ihn so sehr! Aber er liebt mich nicht. Er wird
mich nie lieben.
Sie wußte das und zweifelte nicht mehr daran. Weshalb konnte sie
dann nicht aufhören, ihn zu lieben?
Ich bin wahrscheinlich zu stolz.
Ja, sie war immer so stolz auf ihren Stolz
gewesen. Aber was war das für ein Stolz, wenn er zuließ, daß man einen Mann
liebte, der einen verschmähte? Er hielt sie für eine billige Hure und hatte deshalb
mit ihr geschlafen. Sie wußte, eigentlich hätte sie ihn dafür hassen müssen.
Aber wie konnte sie ihn hassen, wenn sie ihn so sehr liebte?
Bei der Erinnerung an das, was im Wald
geschehen war, empfand sie keineswegs Schamgefühle, sondern dachte nur an die
unbeschreibliche Ekstase ... an seine Hände, seine Lippen, seine Zunge, an die
unsagbare Freude, von ihm geliebt zu werden. Als sich sein Samen in sie
ergossen hatte, war es für sie gewesen, als habe sie etwas Übernatürliches
berührt und ihr ein neues Leben gegeben.
Wie kann ich einen Mann hassen, der mir so großes Glück schenken
kann?
»Delia ...«
Ihr Herz setzte aus und fing im nächsten
Augenblick an, heftig zu schlagen. Sie drehte sich langsam um und machte sich darauf
gefaßt, ihn anzusehen, ohne ihm ihre Gefühle zu zeigen.
Sein Schritt wurde unsicher, aber er kam
näher. In einigem Abstand blieb er schließlich vor ihr stehen. Er musterte sie,
und seine gerunzelte Stirn bewies ihr, daß er die geschwollenen Lider und ihre
roten Augen sah. Um seine Lippen zuckte es schuldbewußt.
»Guten
Morgen, Delia«, sagte er leise und zögernd.
Sie lächelte ihn so freundlich wie möglich
an. »Guten Morgen, Tyl.«
Schweigend standen sie sich gegenüber und
blickten sich an. Schließlich holte Tyl tief Luft und seufzte. »Ich möchte mich
noch einmal dafür entschuldigen, was ich ... ich meine für das, was gestern
geschehen ist. Äh ... besonders für das, was ich gesagt habe ...«
»Ach, Tyl, wahrscheinlich hätten die meisten
Männer so reagiert, wenn sich ihnen eine hysterische Frau vor die Füße geworfen
hätte.«
»Mein Gott, Delia, hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen!«
Er wollte nicht schreien, aber er verlor schon wieder seine Fassung und fuhr
sich unglücklich mit den Fingern durch die Haare. »Es ... es ist nun einmal
geschehen. Mehr nicht und ...«
»Nein, Tyl. Es ist nicht einfach nur
geschehen.« Sie hob stolz den Kopf und hielt mit größter Anstrengung die Tränen
zurück. »Ich schäme mich nicht, dich zu lieben. Aber ich verspreche dir, nie
wieder darüber zu sprechen. Ich werde dich auch nicht mehr in Verlegenheit
bringen, indem ich dich durch meine Anwesenheit herausfordere. Aber ich möchte
dich um deine Freundschaft bitten. Ich weiß wirklich nicht, ob ich es ertragen
würde, wenn wir nicht wenigstens Freunde sein könnten.«
Tyl rang sichtlich nach Worten. Er sah sie an und ließ dann den
Kopf sinken. Er starrte schweigend auf den Boden und murmelte: »Deine
Freundschaft bedeutet mir viel, Delia.«
Sie atmete erleichtert auf. Sie würde ihn nicht ganz verlieren.
Tyl würde nicht ihr Liebhaber oder ihr Mann sein, aber etwas von ihm gehörte
ihr, und damit mußte sie sich eben zufriedengeben.
Ihre Erleichterung war nur von
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