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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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Hände in die Hüften
gestemmt und funkelte den armen Nat empört an. Delia hatte nicht bemerkt, daß
die anderen, darunter auch Tyl, ihnen gefolgt waren. Die Gruppe stand hinter
Sara Kemble und ihrem Schatten, Mr. Kemble, und alle starrten auf Nat, der
seiner Zukünftigen in aller Öffentlichkeit seinen Holzfuß zeigte. Nat zog mit
hochrotem Kopf den Socken wieder an und griff nach seinem Stiefel.
    Delia übersah Sara, die wie ein feuerspeiender Drachen schnaubte,
und lächelte Obadia an.
    »Mr. Kemble, Nat hat mir den Fuß gezeigt, den Sie für ihn
geschnitzt haben!« rief sie laut. »Ich habe noch nie eine so ausgezeichnete
Arbeit gesehen. Der Fuß ist ein wahres Kunstwerk!«
    Sara trompetete ärgerlich: »Mein Mann ist ein
Schreiner, der einzige Schreiner östlich von Wells. Ich habe ihm gleich
gesagt, er soll seine Zeit nicht mit solchen lächerlichen Dingen verschwenden
...«
    »Ich kann mir denken, daß jeder einen Tisch oder einen Stuhl machen
kann«, fuhr Delia unbeeindruckt fort. »Aber niemand außer Gott könnte einen so
meisterhaften Fuß erschaffen.«
    »Haben Sie
das gehört?« rief Sara und deutete auf Reverend Hooker, der erschrocken
zusammenzuckte, worüber Elizabeth leise lachen mußte. Sara hob anklagend die
Hand. »Das war eine Gotteslästerung, oder etwa nicht!«
    »Halt den Mund, Sara«, sagte
Obadia in seiner freundlichen Art. Sara blieb der Mund offenstehen. Dann holte
sie tief Luft und legte los: »Wie kannst du es wagen ...«
    »Ich bin dein Mann. Und wenn ich sage: 'Halt den Mund', dann
hältst du auch den Mund!«
    Saras Kiefer klappten zusammen, und sie
knirschte hörbar mit den Zähnen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und stapfte
davon. Obadia folgte ihr, aber erst nachdem er Delia fröhlich zugelächelt
hatte.
    Delias Blick fiel auf Tyl, dessen Augen übermütig blitzten. »Ein
Wunder ist geschehen. Obadia hat sich endlich einmal durchgesetzt. Wer hätte
das für möglich gehalten?«
    Tyl lachte laut. Aber als er Nat ansah,
verstummte er schnell. Delia drehte sich um. Nat saß wütend auf dem Baumstamm,
während sich Meg und Tildy verschämt an ihn drückten.
    Delia
wurde bleich, und sie ließ den Kopf sinken.
    Wie konnte ich nur so töricht
sein, dachte sie verzweifelt. Ich bin noch keine Stunde hier und schon habe ich
den armen Mann, der mich heiraten soll, vor allen Leuten lächerlich gemacht.
    Eine Hand legte sich auf ihren
Arm. Sie hob den Kopf und blickte in Tyls dunkelblaue Augen. Er verzog
spöttisch den Mund. »Willkommen in Merrymeeting, Kleines!«

12
    »Wir sind in Ihrer Abwesenheit von Holzräubern überfallen worden,
Tyl«, berichtete Oberst Bishop, legte den Suppenlöffel neben den Teller und
wischte sich mit der weißen Serviette, die er um den Hals gebunden hatte, den
Mund. »Es waren etwa fünfzig Kerle. Sie kamen mit Korvetten aus Boston. Sie
haben uns umzingelt und sind mit den zur Verladung bereitliegenden Masten auf
und davon.«
    »Wir hätten Ihre treffsichere Büchse brauchen können, Doc«, fügte
Anne mit ihrer säuerlichen Stimme hinzu, die gut zu dem hageren Gesicht paßte.
Aber sie lächelte Tyl an, und man sah, daß sie ihn mochte. »Ein paar Treffer
und dazu Ihr blutrünstiges Abenaki-Kriegsgeheul, und die Räuber hätten sich
bestimmt schnellstens davongemacht.«
    Tyl murmelte etwas Unverständliches, das so
klang wie: »Vielleicht das nächste Mal ...« Delia spürte seine Augen auf sich
gerichtet. Die finsteren Blicke galten ihr als Warnung vor Peinlichkeiten. Das
wußte sie und seufzte innerlich. So unauffällig wie möglich musterte Delia die
Gäste an der Tafel. Ihr gegenüber saß Nat. Er sah sie verwirrt an, als könne er
sich nicht an den Grund ihrer Anwesenheit erinnern. Im schwachen Kerzenlicht
traten seine tiefen Kummerfalten noch deutlicher hervor, und die grauen Augen
blickten trauriger denn je. Delia ahnte, daß er sie mit seiner toten Frau
verglich und sie dabei schlecht wegkam.
    Aus Gründen der Moral und des Anstands sollte Delia bei den
Bishops wohnen, bis die für das Aufgebot vorgeschriebene Zeit vorüber war und
die Hochzeit stattfinden konnte. Das erste Essen in Merrymeeting war ein
besonderer gesellschaftlicher Anlaß.
    Anne hatte die
Hookers eingeladen und natürlich auch Nat. Seine beiden Töchter mußten
allerdings bei den Dienstboten in der Küche essen. Delia dachte unglücklich,
wenn die beiden kleinen Mädchen mit am Tisch gesessen hätten, wäre ihr Mangel
an feinem Benehmen nicht so aufgefallen und dann hätte auch Tyl

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