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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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von Leuten, vor allem Männer.
    Einer von ihnen ist bestimmt Nathaniel Parker
...
    An der Spitze der Gruppe stand jedoch unübersehbar eine stattliche
Frau in einem bunten Rock und mit einer Haube mit vielen flatternden Bändern –
Mrs. Kemble.
    Tyl fluchte leise.
    »Wie ist es möglich, daß sie schneller hier war als wir?« fragte
Caleb, und es klang nicht gerade glücklich.
    »Ihr Schwager ist Fischer«, erwiderte Tyl. »Wahrscheinlich hat sie
sich von ihm schon gestern zurückbringen lassen. Die alte Klatschbase ist
wirklich ein Fluch.«
    Delia wurde schamrot. Sie hob zwar stolz das
Kinn, aber sie konnte ein nervöses Zittern nicht unterdrücken. Inzwischen wußte
offenbar bereits ganz Merrymeeting, daß Tyl für Nat und seine beiden
Töchter aus Boston eine freches liederliches Frauenzimmer aus einer Hafenkneipe
mitbringen würde.
    Als die Passagiere der Sagadahoc Maiden von
Bord gingen, lösten sich ein Mann und eine Frau von der Gruppe. Ihrem Aussehen
nach war das die vornehmste Familie am Ort. Der Mann trug einen eleganten, mit
rotem Satin gefütterten Überrock, an Knien und Schuhen blitzten
Silberschnallen. Auf der förmlichen Lockenperücke saß ein hoher Biberhut. Sein
rundes rotes Gesicht ließ Delia an einen glänzenden Apfel denken.
    Der vornehme Herr kam mit angewinkelten Ellbogen auf sie zu. Die
Frau an seiner Seite hielt Delia für eine Dienerin. Sie trug ein einfaches Tuch
mit einem gestreiften Brusttuch und eine ebenso gestreifte Schürze über einem
dicken Wollrock. Sie hatte die blaßbraunen Haare straff aus dem Gesicht gekämmt
und eine weiße Haube daraufgesetzt. Die Frau war so hager, daß sich ihre
spitzen Schultern durch das Mieder abzeichneten. Sie bewegte sich fast so
ruckartig wie eine Marionette.
    Der vornehme Herr streckte Caleb schon von weitem die Hand
entgegen. »Sie müssen Reverend Hooker sein! Willkommen! Willkommen in
Merrymeeting!«
    Tyl machte die Herrschaften miteinander bekannt, während Delia
verlegen an seiner Seite stand. Vorsichtig musterte sie die Anwesenden, um herauszufinden,
wer Nathaniel Parker war. Sie hörte Tyl sagen, daß der vornehme Herr Oberst
Giles Bishop heiße und der Holzhändler und Kommandant der lokalen Miliz sei.
Die Frau an seiner Seite, die Delia für eine Dienerin gehalten hatte, war Anne
und mit ihm verheiratet.
    Plötzlich entdeckte Delia einen großen,
schlanken Mann mit strohblonden Haaren. Er stand etwas entfernt von den anderen
im Schatten des großen Hauses. An seinen Händen hielt er zwei Mädchen. Ihre
Blicke trafen sich kurz, aber beide sahen schnell wieder zur Seite.
    Der Mann kam langsam mit den Kindern auf sie
zu.
    Tyl legte wie selbstverständlich Delia den Arm um die Hüfte und
schob sie vorwärts. Es war die erste Berührung, seit sie sich im Wald geliebt
hatten. Seine warme Hand auf ihrem Rücken wirkte auf Delia wie ein Schock, und
sie stolperte.
    Tyl glaubte, sie habe Angst, und drückte aufmunternd ihren Arm.
»Nat ist ein anständiger Mann«, sagte er leise, während sich die Hookers und
die Bishops angeregt über gemeinsame Bekannte in Boston unterhielten. »Er wird
sich seine Meinung erst bilden, nachdem er dich kennengelernt hat.«
    Delia bezweifelte das. Mrs. Kemble hatte bestimmt ausführlich über
sie berichtet, und sie sah seine besorgte und fragende Miene, als er sich ihnen
näherte.
    Tyl ging ihm mit Delia entgegen, ohne sie
loszulassen. Seine körperliche Nähe machte ihr in diesem Augenblick sehr zu
schaffen. Irgendwie hielt sie es nicht für richtig, ihren Zukünftigen zu
begrüßen, während ihr Herz heftig schlug, weil sie einen anderen liebte.
    »Nat, das ist Delia McQuaid aus Boston«, sagte Tyl und versuchte,
durch ein unbekümmertes Lächeln die prekäre Angelegenheit für alle zu
erleichtern.
    Delia blickte nur kurz in Nats graue prüfende
Augen. Er trug eine schlichte handgewebte, derbe Hose, eine Wolljacke ohne
Schleife und einen alten Filzhut. Nat Parker war so groß wie Tyl, ja er
überragte ihn sogar etwas. Aber während Tyl drahtig und muskulös war, wirkte
Nat neben ihm kantig und ausgemergelt. Er hatte übergroße Hände und Füße, und
man konnte ihn beim besten Willen nicht als »gutaussehend« bezeichnen. Seine
Ohren standen ab, und er hatte eine flache, etwas gekrümmte Nase. Viele Falten
umgaben den großen Mund mit den schmalen Lippen, als habe er früher oft
gelacht. Jetzt lachte er nicht.
    Tyl ließ Delia schließlich los und ging zu
den Hookers zurück. Damit gab er Nat und ihr Gelegenheit,

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