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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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sie nicht so
finster angestarrt.
    Sie unterdrückte ihre wachsende Panik und blickte auf die Kürbissuppe
mit Sahne in ihrem Steingutteller. Dann holte sie tief Luft und griff mutig
nach dem Zinnlöffel.
    Vergiß nicht, Delia, ermahnte sie sich, du darfst keine Suppe verschütten
und nicht wie ein halbverhungerter Hund schlürfen.
    Aber die Anspannung legte sich ihr sofort auf den Magen. Sie hatte
plötzlich keinen Appetit mehr und ließ den Löffel wieder auf den Tisch sinken.
    Die Suppe sah köstlich aus, und sie war
ausgehungert, aber sie wollte sich unter keinen Umständen noch einmal so
blamieren wie damals an dem ersten Morgen mit Tyl, als er ihr vorgeworfen hatte,
sie benehme sich beim Essen wie ein Schwein. Eine richtige Dame mußte
anscheinend unzählige Anstandsregeln beachten, von denen Delia so gut wie keine
kannte. Wie sollte sie das alles lernen, ganz zu schweigen davon, es
beherrschen? Nat beobachtete mit ernster Miene jede ihrer Bewegungen. Sie
wollte ihm wirklich gefallen. Wenn sie diesen Mann schon heiraten sollte, dann
müßte doch wenigstens er sie mögen.
    Delia hatte noch nie von so vornehmem Geschirr
oder mit Zinnbesteck gegessen. Sie kannte auch nicht den Luxus eines Eßzimmers.
Sie hatte immer in der Küche gegessen oder im Wirtshaus, manchmal auch auf der
Straße, wenn sie sich etwas bei einem der Händler kaufte. Im Eßzimmer der
Bishops stand ein wunderschöner großer Kirschbaumtisch. Sie saßen auf
zierlichen Stühlen, die bei der kleinsten Bewegung knarrten. Es roch stark nach
Veilchen und Tabak, in dessen unsichtbare Wolken Oberst Bishop eingehüllt zu
sein schien.
    Als Delia plötzlich der starke Tabakgeruch bewußt wurde, überkam
sie der unwiderstehliche Drang zu niesen. Je mehr sie dagegen ankämpfte, desto
hartnäckiger kitzelte es ihr in der Nase, bis sie schier explodierte.
    Sie wurde über und über rot und hielt sich
schnell die Serviette vor die untere Gesichtshälfte. »E ... Entschuldigung ...«,
murmelte sie verlegen. Noch nie hatte sie sich so geschämt. Kein Wunder, daß
weder Tyl noch Nat sie heiraten wollten. Sie selbst würde auch nicht mit so
einem unmöglichen Geschöpf, das sich nicht benehmen konnte, ein Leben lang
zusammensein wollen.
    »Es ist der Tabak«, erklärte Anne. »Ich finde, Giles, du solltest
wirklich etwas rücksichtsvoller sein.«
    Der Oberst nickte schuldbewußt. »Ja, natürlich. Bitte entschuldigen
Sie, liebes Fräulein.«
    Delia warf verstohlen einen Blick auf Tyl. Zu ihrer Überraschung
blitzte es belustigt in seinen Augen, und dann lächelte er sie strahlend an.
Völlig verwirrt senkte Delia schnell den Kopf.
    Tyl sah an diesem Abend einfach hinreißend
aus. Er hatte sich umgezogen und trug einen Gehrock mit gestärkten und geknöpften
Stulpen. Die in der Taille schmal geschnittene Jacke betonte seine breiten
Schultern. Darunter trug er eine Samtweste. Delia fand, die sonnengebräunte
Haut und seine dunkelblauen Augen über dem schneeweißen hohen Kragen machten
ihn einfach unwiderstehlich.
    Mit Ausnahme von Delia hatten sich alle für das Essen fein
gemacht. Elizabeth Hooker belebte ihr schwarzes Kleid mit einem weißen
Brusttuch, das ihre blasse Schönheit unterstrich. Der Reverend trug kühn einen
kleegrünen Rock. Sogar Anne hatte das einfache Alltagsgewand gewechselt und
trug ein langes veilchenblaues Seidenkleid, das ihre spitzen Knochen kaum
verbarg.
    Während alle die Suppe löffelten, über den
Raubüberfall und das Holzfällen sprachen, betrachtete Delia die Gastgeberin
etwas genauer. Anne mußte bereits Ende vierzig sein und war offenbar älter als
ihr Mann. Ihre Haut war vom Wetter gezeichnet, und sie wirkte verhärmt, als
habe das Leben viel von ihr gefordert, obwohl das nicht im Einklang mit dem
Luxus in diesem Haus zu stehen schien. Eine gewisse Traurigkeit ging von ihr
aus, die irgendwie auf ein tiefes Leid hindeutete. Aber die wenigen Worte, die sie
bislang mit Delia gewechselt hatte, verrieten eine ehrliche und wohltuende
Freundlichkeit. Delia sah an Annes rechter Hand einen Trauerring. Vielleicht
erklärte der Ring den Grund ihres Kummers.
    »Mir ist aufgefallen, daß einige Masten am Kai mit einer eingeritzten
Pfeilspitze gekennzeichnet sind«, sagte Reverend Hooker, während ein Diener mit
einem Tablett erschien und die Suppenteller abräumte. »Hat dieses Zeichen eine
besondere Bedeutung?«
    »Der König beansprucht für die königliche Marine alle Masten, die
einen Durchmesser von mehr als zwei Fuß haben«, erwiderte

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