Penelope Williamson
wie schnell ihr Puls
ging. »Stell dich nicht so an«, brummte er unwirsch. »Ich möchte nur die
Impfung überprüfen.«
Er wickelte langsam den Ärmel hoch. Die
Einschnitte waren vernarbt und gut verheilt. »Wie fühlst du dich? Hast du
Fieber gehabt?«
»N ... nein ...« Sie preßte die Lippen zusammen, und er fühlte,
wie sie am ganzen Körper zitterte. Er ließ ihre Hand los. Sie wich sofort
zurück, rollte den Ärmel wieder herunter und knöpfte das Bündchen zu. »Es juckt
etwas.«
Tyl nickte. »Hast du dich in Merrymeeting
eingelebt?«
»Ja! Es gefällt mir hier wirklich, Tyl.«
Er lächelte. »Das ist gut ... es freut mich.«
Ein gefährliches Schweigen entstand. Sie sahen sich unverwandt an.
Tyl hätte sie am liebsten geküßt. Aber er bezähmte sich.
Großer Gott, heute würde sie heiraten. Heute war ihr Hochzeitstag
.. .
Trotz aller Vorsätze brach es plötzlich aus ihr heraus. »Du hast
mir gefehlt, Tyl ...«
»Ich war fort.«
Sie nickte. »Ja, ich weiß. Du warst bei einer
Entbindung.«
»Du bist ja bestens informiert.« Seine Blicke
durchbohrten sie. Sie sah nicht nur anders aus, sie sprach auch anders. Ihre
Worte klangen wie die einer richtigen Dame. Bei diesem Gedanken mußte er
lächeln.
»Geht es der Mutter und dem Kind gut?« fragte sie höflich und ach
so gesittet. Er schüttelte ungläubig den Kopf.
»Es war eine sehr schwere Geburt, aber jetzt geht es den beiden
gut.«
»Hast du Susan in
Falmouth Neck besucht?«
Aha, dachte er, das klingt schon eher nach der alten Delia. Er
fuhr sich halb belustigt, halb entnervt mit der Hand durch die Haare. Sie
konnte ihn noch immer mit einer einzigen Frage völlig durcheinanderbringen. Zu
seinem Ärger wurde er außerdem noch rot wie ein kleiner Junge. Wie brachte sie
das nur fertig?
»Ja, ich habe Susan besucht«, erwiderte er, ohne sich gegen ihre
übliche Eifersucht wehren zu können.
»Hast du mit ihr geschlafen?«
Allmächtiger ...
Er hatte nicht mit Susan geschlafen. Er hatte es nicht getan, weil
er in der vergangenen Woche jede Minute an Delia gedacht, von ihr geträumt und
sich nach ihr gesehnt hatte – nach ihrer seidig zarten Haut, dem Klang ihrer
rauhen aufreizenden Stimme, die Musik für seine Ohren war, wenn sie flüsterte:
»Ich liebe dich, Tyl ... ich liebe dich ... ich liebe dich so sehr ...«
Nein, er hatte nicht mit Susan geschlafen,
und er würde es vermutlich auch in Zukunft nicht tun. Sein Schweigen war jedoch fast
so etwas wie ein Eingeständnis. Das wußte er auch.
»Du
solltest sie heiraten«, sagte Delia.
»Ich werde es mir vielleicht überlegen.« Tyl lächelte und beugte
sich vor. Ihr Atem vermischte sich mit seinem. Der Duft von Sassafrasseife und
Myrtenwachskerzen machte ihn benommen. Sein Körper verlangte plötzlich heftig
nach Berührung, Zärtlichkeit und Leidenschaft.
Ich müßte sie schon deshalb hassen, weil sie mich zu ihrem Sklaven
gemacht hat ...
Ihre Lippen öffneten sich halb, als nehme sie seinen Atem in sich
auf.
Er schluckte trocken und sagte mit gepreßter Stimme: »Bist du zur
Heiratsvermittlerin geworden, Delia?« Er half sich mit Spott über seine wahren
Gefühle hinweg und fügte betont anzüglich hinzu: »Liegt das vielleicht daran,
daß du heute selbst heiratest?«
Sie
lachte.
Ich wollte sie treffen, und sie lacht! Das wäre früher nie
geschehen. Ich bin verloren, dachte er in wachsender Panik. Sie ist inzwischen
stärker als ich.
Er starrte auf ihren schlanken Hals, auf den Ansatz ihrer Brüste
und war nahe daran, ihr die Kleider vom Leib zu reißen.
»Warum willst du sie nicht heiraten?« fragte sie noch immer
lachend.
»Verflucht!« Er verlor die Beherrschung und
schlug mit der Faust gegen den Türpfosten dicht neben ihrem Gesicht, aber sie
zuckte nicht einmal zusammen. »Warum denkst du immer nur ans Heiraten?«
»Susan ist
hübsch, Tyl. Sie liebt dich.«
»Pech für
sie. Ich liebe sie nämlich nicht.«
Er hatte das nicht sagen wollen, aber vielleicht machte dieses Eingeständnis
Delia glücklich und sie ließ das absurde Thema fallen. Sie runzelte allerdings
nur die Stirn und fragte ernst: »Hast du je eine Frau geliebt, Tyl?«
»Was soll
das nun wieder?«
»Hast du?«
Er kam noch näher, so nahe, daß sich ihre Lippen beinahe berührten.
Ihr Atem traf sein Gesicht und schien seine Haut zu verbrennen. »Das ist doch
alles nur Theater, nicht wahr?« stieß er fast keuchend hervor. »Ich meine ...
du und Nat ... und diese absurde Hochzeit. Glaubst du vielleicht, ich
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