Pennäler contra Pauker
Mann gelangt zu der Überzeugung, daß man es wirklich nicht tragisch nehmen muß, wenn einer das Gerundium vom Gerundiv nicht unterscheidet, und daß dieser Schmidtmaier es sogar noch zum Lateinprofessor bringen kann. Tragisch ist nur, daß so mancher nicht zu dieser Überzeugung gelangt.
Es dauert lange genug, ehe der Referendar sein Fach beherrschen lernt. An der Hochschule hat er sich eine gründliche Kenntnis verschiedener wissenschaftlicher Theorien angeeignet, in der Zwischenzeit jedoch alles vergessen, was er noch von der Oberschule her wußte. Meist ist der Herr Professor um eine Stunde weiter als seine Klasse, das heißt, er kann gerade um eine Lektion mehr, für die er sich daheim sorgfältig vorbereitet hat. Schlimm ist es, wenn man in der Klasse einen Schüler hat, der in einem Gegenstand hervorragende Kenntnisse besitzt. So kann es zum Beispiel einen gefährlichen Jungen geben, der die Ferien früher in England verbrachte. Der Englischlehrer wägt bei der Sprechübung jedes Wort ab und schielt dabei nach dem unangenehmen Nebenbuhler, der sich, seiner Überlegenheit bewußt, in der Bank hinlümmelt und mit Interesse dem Gestammel des Professors lauscht. Sooft der junge Kenner zu grinsen beginnt, erbleicht der Lehrer ein wenig und forscht im Geiste, wo er einen Schnitzer gemacht hat. Die Zähmung des übermütigen Schülers ist recht schwierig. Ein gutes Mittel ist, ihn für jedes Grinsen ein Gedicht auswendig lernen zu lassen. Der Junge läßt dann bald von dem Zweikampf ab und legt sich in der Kritik des Herrn Englischlehrers einige Zurückhaltung auf.
Mit weniger Gefahr kann man in Latein oder Mathematik, in Chemie oder in einem anderen Fach schwimmen, in denen nur selten ein solches Wunderkind auftritt. Manchmal versetzt ein allzu eifriger Streber den Lehrer in Verlegenheit, wenn er ein zu eifriges Interesse für die vorgetragene Wissenschaft äußert und meldet, daß es im Lehrbuch anders stehe. «Sicherlich», entgegnet dann der schlagfertige Schwimmer, «die Form, die im Buch steht, ist auch richtig und findet sich bei den Klassikern des Mittelalters. Das Perfektum, das ich euch an die Tafel schrieb, kommt dagegen öfter bei den Dichtern vor und wird häufig im Volkslatein angewandt.»
In geistig regsamen Klassen spielen die Schüler eine Art Spiel. Der Schüler, der merkt, daß der Herr Professor einen Schnitzer gemacht hat, meldet einen «Bock», und je nach der Beschaffenheit des «Bockes» erhält dieser dann die entsprechende Anzahl Punkte.
Wie zu ersehen, ist der Antritt des jungen Kämpen recht mühevoll, und es dauert lange genug, ehe er aus der Verteidigung zum Angriff übergeht und die untergebene Mannschaft entsprechend zu treten beginnt.
Der Vollständigkeit halber müssen wir noch das unaufhaltsame Vordringen der Damen in die Paukersippe erwähnen. Von Jahr zu Jahr verdrängen die gelehrten Frauen immer mehr die Männer aus den Lehrkörpern, welche gefährliche Invasion in unvermindertem Maße anhält. Es ist uns vorläufig nicht gelungen, festzustellen, welche Wirkung oder Veränderung dieses Vordringen im Getriebe der gigantischen Schulmaschinerie hervorruft. An einigen Anstalten haben bereits die Raucher eine Niederlage erlitten und wurden in die Lehrmittelzimmer oder auf den Lokus vertrieben, wo sie der Wonne des verbotenen Zigarettenrauchens gemeinsam mit den Schülern huldigen. Anderswo wieder hat eine temperamentvolle Schöne durch ihre obligate Zigarette drei Nichtraucher, einen alten Vegetarier und einen Mazdaznananhänger aus dem Paukerzimmer in den Korridor hinausgeekelt. So oder so, die Folgen lassen sich vorläufig nicht übersehen. Wir wollen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln werden, sobald einmal die Damen in den Paukerställen die Übermacht haben und der elastische Herr Direktor (ein stattlicher Fünfziger) den Vorsitz der Konferenz gelehrter Frauen führt.
Wir haben die Leser mit den Haupttypen des Pennälervolkes und der Paukersippe bekannt gemacht und die Kampfmethoden kurz beschrieben, die bei der gegenseitigen Vernichtung angewendet werden. Nun wollen wir, so sachlich wie möglich, jene seltsame Gärung schildern, von der eine höhere Schule von acht Uhr morgens bis ein Uhr mittags überquillt.
Dritter Teil
Die Klasse vor und nach dem Klingeln
Der Unterricht dauert bekanntlich von acht bis eins. Das Hauptringen zwischen Paukern und Pennälern pflegt sich in den Morgenstunden abzuspielen, wenn beide Parteien noch frisch und munter sind. Die Zeit
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