Pennäler contra Pauker
tüchtig herumgehetzt hat, verläßt er die Anstalt, da seine Aufgabe damit beendet ist.
Väter, Mütter und Eltern überhaupt, vereint und einzeln
Im Kampf gegen die Pauker werden die Schüler von der Stoßtruppe ihrer Eltern unterstützt. Das ist eine recht ausgiebige Hilfe, denn es gibt unter den Eltern einflußreiche, hochgestellte, öffentlich tätige und überhaupt schreckenerregende Persönlichkeiten. Verbindet sich das Gros der maßgebenden Funktionäre zu einer Elternvereinigung, stellen sie eine Großmacht dar, mit der die Pauker ernstlich rechnen müssen. Wenn die Eltern geeint, als gleichartige, vorzüglich gerüstete Einheit vorgingen, würden die Pauker zweifellos wie Spreu hinweggefegt werden, ohne daß sie auch nur einen ernstlicheren Widerstand versuchten. Diese imposante Einheit wird jedoch nie erzielt werden, da alle Eltern die Schüler in zwei streng voneinander gesonderte Klassen teilen. Zur ersten Gruppe gehört das eigene Kind, das in geradezu wunderbarer Weise mit Geistesgaben gesegnet ist, die es zu großen Dingen vorherbestimmen. Leider wird es von den beschränkten Paukern nicht verstanden und falsch eingeschätzt. Die Entwicklung des Kindes wird namentlich dadurch gehemmt, daß ihm die Mehrzahl der Lehrer nicht wohlgesinnt ist.
Die Eltern sind also bemüht, mit Hilfe der Elternvereinigung sämtliche Hindernisse, die sich ihrem Kind auf der Siegesbahn durchs Leben in den Weg stellen, zu beseitigen. Zur zweiten Gruppe gehören alle übrigen Kinder, die nach der Meinung dieser Eltern verblödet und unfähig sind, von den Paukern aber gefördert und milde beurteilt werden.
In dem Bemühen, ihren geliebten Kindern zu helfen, wenden die Eltern Listen, Kniffe, Fürsprachen, Bitten, Drohungen und alle übrigen zulässigen Mittel an, um die hartherzigen Pauker zu erweichen.
«Er hat sich doch schon in allem gebessert, Herr Professor, nur in Englisch kommt er nicht vorwärts», behauptet die Mutter, die den unerschütterlichen Englischlehrer bestürmt, obgleich ihr hoffnungsvoller Sprößling in sechs Fächern versagt hat. Alle sechs verstockten Wissenschaftler zu besuchen und zu überzeugen, daß «sich der Junge in allem gebessert hat», ist eine Leistung, derer nur ein liebendes Mutterherz fähig ist. Nicht minder rührend ist die Szene, wenn ein alter Vater, Metzger von Beruf, behauptet, er frage seinen Sohn täglich die griechischen Formen ab, und der Junge beherrsche sie derart vollkommen, daß selbst der rauhe Mann von der Fleischbank zu Tränen gerührt sei.
Nicht selten geschieht es, daß der überwältigte Gelehrte aus dem Sprechzimmer flüchtet, worauf ihm die hartnäckige Mutter nachsetzt, ihn auf der Treppe einholt, hinter ihm in das Lehrmittelkabinett eindringt und jammert: «Aber er rührt sich doch die ganze Nacht nicht von den Büchern, Herr Professor! Zum Handwerk taugt er nicht, aus der Fachschule hat man ihn hinausgeworfen, wenn er also wenigstens die Reifeprüfung machen könnte.»
In dem einfältigen Glauben an die Genialität und die Weltsendung ihrer Kinder verfolgen die Eltern die Lehrer durch die ganze Anstalt, überfallen sie auf der Straße, lassen Beschwerden gegen sie in die Zeitung einrücken, dringen in ihre Wohnung ein, demütigen sich vor ihnen und bedrohen sie, denn die Lehrer sind das einzige Hindernis, das ihren Lieblingen im Wege steht.
Der Herr Pedell
Irgendwie außerhalb des Wettbewerbs, über alle diese Kleinigkeiten erhaben, steht der Herr Schuldiener, auch Hausmeister, Studienanstaltsverwaltungsrat, Pudel genannt, mit seiner Frau, der Kuchenmutter oder Frau Hörnchen.
Der Schulwart ist durch nichts aus seiner olympischen Ruhe zu bringen. Er hat bereits mehrere Direktoren kommen und gehen sehen, und wenn ihn jetzt der Direx anfährt, tut er bloß einen Zug aus seiner Pfeife und denkt sich: Solche wie du habe ich schon mehrere überlebt. Neue Mitglieder des Lehrkörpers melden sich zunächst beim Schulwart, der sie, wenn er es für gut befindet, zum Direktor führt. Die Stellung des Schulwarts beleuchtet am besten folgender Vorfall:
Ein junger Referendar klopft schüchtern an der Tür der Loge des Herrn Studienanstaltsverwaltungsrats. «Was wünschen Sie?» fragte der Zerberus. «Ich bin der neue Referendar.» - «Wir brauchen niemand, wir sind vollzählig», fertigt ihn der Wächter des Gebäudes ab. «Vielleicht hat der Herr Direktor irgendwelche Weisungen», wendet der junge Mann ein. «Nichts hat er», lautet die schroffe Antwort, «ich
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