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Pennäler contra Pauker

Pennäler contra Pauker

Titel: Pennäler contra Pauker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Zak
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(Sprachen setzen sich nämlich aus zahllosen Wörtern zusammen). Darum achtet ein guter Lehrer darauf, daß der Schüler die Vokabeln ordentlich ins Heft einträgt und auch lernt. Eine philologische Stunde beginnt gewöhnlich mit dem Abfragen der Vokabeln. Es ist das eine Handlung, die wilde Romantik auszeichnet.
    Der Pauker hält ein Heft in der Hand, das ihm bereitwillig von einem Streber gereicht wurde, läuft zwischen den Bänken auf und ab, ruft die Wortbedeutungen wie ein Zeitungsjunge aus und weist mit dem Zeigefinger auf die einzelnen Schüler. Wer nicht flink genug antwortet, erhält den Titel Trottel, Stiesel, Trödelfritze, Ölfunzel oder ähnliche passende Ausdrücke. Die Opfer dieses Wütens bemühen sich, durch unverständliches Murmeln ihre Lage zu retten, aber der Pauker, der wie ein Amokläufer durch die Klasse rast, setzt seiner Beute unnachgiebig zu und zwingt sie, die Endungen genau auszusprechen. Erst wenn der Überfallene das Geschlecht und den zweiten Fall des Hauptwortes, beziehungsweise sämtliche Formen des unregelmäßigen Verbums hervorgesprudelt hat, brummt der wilde Mann zufrieden und saust weiter.

    Bei dieser Gelegenheit soll der klägliche Rückzug eines Griechischlehrers, der durch sein Kreuzfeuer von Fragen beim Prüfen der Wörter und Formen berüchtigt war, erwähnt werden.
    «Was heißt...» begann er immer langsam, um dann das Wort nach längerer Pause wie einen Pistolenschuß abzufeuern. Das griechische Wort «gyps», das Geier bedeutet, wurde ihm zum Verhängnis.
    «Neuhöfer, was heißt... gyps?»
    Der Schüler Neuhöfer, ein Junge, der wegen seiner Unnachgiebigkeit bekannt war, stand langsam auf, schnitt ein finsteres Gesicht und sagte rauh:
    «Ziege.»
    «He, he», kicherte der Griechischlehrer höhnisch, «das stimmt wohl nicht. Überlegen Sie sich's doch! , zweiter Fall
    Der Schüler Neuhöfer blickte den Lehrer argwöhnisch an, und da er sein ironisches Lächeln bemerkte, kam er zur Überzeugung, daß es sich um eine ganz schlaue List handle. Und so erklärte er zum zweitenmal klar und hart:
    «Ziege.»
    «Sie irren sich wohl», redete ihm der grauhaarige Philologe zu, «vielleicht heißt es , meinen Sie nicht?»
    Der Schüler verzog noch mehr das Gesicht, schüttelte abweisend den Kopf und sagte zum drittenmal geradezu drohend:
    «Ziege.»
    Die Wirkung war derart vernichtend, daß der erschrockene Philologe, in seinem durchdachten Angriff wankend geworden, rasch den Rückzug antrat und, nachdem er bis zum Katheder zurückgewichen war, unauffällig im Griechisch-Wörterbuch zu blättern begann.

Klassische und moderne Sprachwissenschaft

    Beginnen wir mit der Grammatik, der am meisten gefürchteten Waffe der zügellosen Pauker im Kampf wider die Pennäler. Es ist nicht ganz klar, warum die Grammatik Sprachlehre heißt, denn sie setzt sich aus Formen und Bindungen zusammen, die niemand spricht. Nehmt zum Beispiel so ein Satzgefüge in der bedingten Nichtwirklichkeitsform der Vergangenheit. Da ihr keine Ahnung habt, was das sein soll, obgleich ihr doch sonst gebildete und belesene Menschen seid, wollen wir mit einer Probe dienen. Ihr stellt, sagen wir, folgende Betrachtung an: «Einmal bücken, und du hättest dich nicht mehr zu bücken brauchen.» In die Sprache der Grammatik übersetzt, lautet dieser Satz wie folgt: «Wenn du dich einmal gebückt hättest, hättest du dich nicht so oft zu bücken brauchen.» Wünscht euch nicht, diesen Satz ins Französische oder Lateinische zu übertragen.
    «Setzen Sie das ins Passiv», befiehlt der Herr Professor so nebenbei. Und nun findet den richtigen Konjunktiv Plusquam-perfecti Passivi. Dieses erwähnte Pluspuamperfectum oder plus-que-parfait, unsere Vorvergangenheit, ist der Haupttrumpf des professoralen Cowboys, der auf der Grammatik herumreitet, und wurde gewiß von ganzen Generationen tüftelnder Backalaurei und Lehrer erklügelt und vervollkommnet, ehe es die heutige ungetüme Form angenommen hat. Was ein Panzerwagen für einen modernen Heerführer, das bedeutet das Plusquamperfectum für einen wildgewordenen Pauker. Am weitesten sind in dieser Richtung die Französischlehrer fortgeschritten, die außer dem plus-que-parfait noch das ganz ungeheuerliche passé antérieur konstruiert haben, an dem sie aber noch nicht genug hatten; und so gelangten sie durch Verbindung sämtlicher bisher bekannter Zeiten der Vergangenheit zu einem fürchterlichen Ungestüm, das passé surcomposé heißt und imstande ist,

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