Pennäler contra Pauker
ist in sechs Unterrichtsstunden geteilt, zwischen denen fünf Pausen eingeschaltet sind, die fälschlich respiria (Erholung) heißen. Uneingeweihte, nämlich Laien und Schulsachverständige, sind der Meinung, die Unterrichtsstunden seien mit angestrengter Arbeit ausgefüllt, nach der neue Kräfte geschöpft werden müßten, wozu eben die Pausen bestimmt seien. Daher die falsche Ansicht, die Schüler erholten sich in den Pausen, verzehrten Würstchen mit Mostrich und schöpften frische Kräfte durch Vitamine und gegebenenfalls Sauerstoff im Schulgarten.
In Wirklichkeit ist die Pause eine Zeit fieberhaftester Tätigkeit. In wenigen Minuten muß der Schüler die mathematische oder eine andere Aufgabe, die er daheim zu machen vergaß, abschreiben, zehn Seiten Wiederholung in Geschichte fressen, zwanzig unregelmäßige Verba büffeln, einen Mogelzettel für die Klassenarbeit vorbereiten, eine Zigarette auf der Pinkelage rauchen, ein Gedicht auswendig lernen und ähnliches mehr.
Dagegen ruht er während des Unterrichts nach der anstrengenden Pausenarbeit aus, döst oder liest unter, umständehalber auch auf der Bank leichtes Schrifttum. Oder, wie das feststehende Urteil der Pauker lautet: Die Schüler säßen während des Unterrichts wie Schlafmützen oder Trauerklöße da.
Hier müssen wir, obgleich ungern, die traurige Tatsache verzeichnen, daß einige gewissenlose Lehrer die Schüler ununterbrochen durch Aufrufen, Ermahnen, Prüfen — ja, durch Brüllen und Einschüchterungen zu stören versuchen. Es geschieht nicht selten, daß der Schüler während der ganzen Stunde infolge des Höllenkrachs, den der rücksichtslose Pädagoge verursacht, kein Auge schließen kann.
Sprechübungen
In dieser Hinsicht sind namentlich die Lehrer der modernen Sprachen von einer kaum zu überbietenden Zudringlichkeit, zumal sie von der Vorstellung besessen sind, daß sich die ganze Klasse an der sogenannten Konversation zu beteiligen hat. Die Sprechübung ist eine merkwürdige Art zu unterrichten, wobei der Lehrer unaufhörlich etwas in einer fremden, den Schülern unverständlichen Sprache brüllt, sie zum Aufstehen nötigt und sich kindisch freut, wenn jemand so tut, als verstünde er die Frage. Die Grundlage einer solchen Sprechübung bildet ein j trübseliges Lesestück von bedrückendem Inhalt, das ein anerkannter Klassiker des fremden Volkes in einer schwachen Stunde verfaßt hat. Etwa die Geschichte von dem sterbenden Vater, der seinen Söhnen anvertraut, daß auf dem Weinberg ein Schatz vergraben sei.
«What have we read, Bräuer?» fragt der Pauker, nachdem die Übersetzung mühsam zusammengestottert wurde.
« We haveread», behauptet Bräuer, indem er den Lehrer mit einem weichen, unschuldigen Blick ansieht.
« I ask, what we have read, you ignoramus, you parrot-bird », wütet der Englischprofessor.
Der Schüler Bräuer schweigt sich aus.
«Sit down! What I asked, Wortmann?»
«I beg your pardon, I was ill yesterday», antwortete der Gefragte schlagfertig.
«It's a shame! Sit down! Now, Müller?»
« I also», erklärt Müller würdig.
«It's terrible, in dieser Klasse kann man nicht arbeiten, good heaven! Ein solches Material, ihr seid stinkfaul», tobt der Lehrer, der sich in seinem Zorn wieder der tönenden Muttersprache bedient.
« Now , what did the father do, Paulsen?»
« Yes », antwortet Paulsen, seine Kriegslist anwendend.
« What?»
« No», verbesserte sich der Schüler flink.
«Did you understand the question?»
«Yes», meint Paulsen.
«Then answer me.»
« No», antwortet der Gefragte, der sorgfältig Bejahung und Verneinung wechselt.
« Whynot?» fragt der Englischlehrer drohend.
« Of course», triumphiert der vernommene Schüler, worauf sich der Lehrer an den Kopf greift und den Prüfling in beiden Sprachen verdonnert. Man wird begreifen, daß nach einer solchen viertelstündigen unmenschlichen Quälerei die Klasse seelisch erschöpft ist. Daher die allgemein verbreitete Unbeliebtheit der toten und lebenden Sprachen.
Vokabeln werden abgefragt
Wörter oder Vokabeln sind die Ziegelsteine, ohne die man den imposanten Bau einer fremden Sprache nicht aufführen kann. So behauptete zumindest mein alter Lateinlehrer, und ich habe keine Veranlassung, das zu bestreiten. Darum sage ich es mit
Vorliebe meinen jungen Schutzbefohlenen, wenn ich mich in der Quarta bemühe, die frischen, unverbrauchten Gehirne mit dem Bazillus des Lateins anzustecken.
Die Wichtigkeit der Wörter ist unbestreitbar
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