Pennäler contra Pauker
betrat, sprang er, irgendeinen phantastischen Hut auf dem Kopf, aus dem Versteck hervor, so daß ich lachen mußte, wodurch der Ernst der Stunde eine Einbuße erlitt.»
Der Herr Klassenleiter, zu dessen Obliegenheiten es gehört, den kriminellen Hintergrund der angeführten Delikte festzustellen, gerät oft in Verlegenheit, da er für manche von ihnen eine geheime Sympathie hegt. So ließ er sich zum Beispiel den Fall mit dem «phantastischen Hut» noch einmal vorführen und mußte ebenfalls lachen, wodurch der Ernst der Eintragung in das Klassenbuch eine Einbuße erlitt. Eine andere spaßige Affäre ergab sich, als das aufsichtführende Lehrorgan Quintaner dabei ertappte, wie sie mit Hilfe von Glasröhrchen Stecknadeln gegen ein Bild schossen, das eine Eingeborenenfeier in Timbuktu veranschaulichte.
Bei näherer Untersuchung des «Corpus delicti» stellte sich heraus, daß die Treffer geradezu meisterhaft genannt zu werden verdienten. Eine Stecknadel stak im Hinterteil eines lustigen Äffchens, die übrigen Geschosse hatten den umfangreichen Wanst des Königs der Tuaregs getroffen, was unter Berücksichtigung der Entfernung von fünf Metern eine geradezu großartige Leistung war. Zudem hatten die Schüler ihren Abscheu gegen den wohlgemästeten Monarchen kundgetan, und der Klassenleiter war gezwungen, sie ob ihrer Gesinnung noch zu beloben. Den Missetätern wurde eine Strafe von 3 Mark 70 Pfennig auferlegt, wodurch hauptsächlich die Eltern der Freischützen getroffen wurden, obgleich sie in Wirklichkeit zu beglückwünschen waren.
Die Eintragungen in das Klassenbuch sind die einzige Waffe der Pauker, die in Fächern unterrichten, in denen man nicht durchfallen kann. Da bewährt sich diese Straftat als Notbehelf zur Aufrechterhaltung einer sogenannten Ordnung während des Unterrichts, wo sonst geradezu anarchische Zustände im Klassenzimmer herrschen würden.
Nachdem wir nun den geduldigen Leser mit dem Wesen der einzelnen Fächer und dem normalen Verlauf des Unterrichts vertraut gemacht haben, kommen wir zum Höhepunkt des Kampfes zwischen Pennälern und Paukern, nämlich dem entscheidenden Augenblick des Prüfens.
Vierter Teil
Die Kunst, bei der Prüfung zu bestehen
Zu allererst müssen wir erläutern, warum jener ungleiche Kampf, in dem ein erwachsener, vollentwickelter Mann unsportlich über ein schwaches Kind herfällt, beschönigend Prüfen genannt wird. Aber man staune: Der Ausdruck ist ziemlich passend gewählt, denn das Prüfen geschieht beiderseitig. Der Pauker prüft unter Anwendung seiner reichen Erfahrung, wie er den Schüler am besten hereinlegen könnte, und der Prüfling prüft, wie er dem Prüfenden am besten entwischen könnte, wobei er allerdings viel zu leiden hat, ehe die Prüfung überstanden ist.
Der Leser, der unsere wissenschaftliche Abhandlung bis hierher aufmerksam verfolgte, wurde bereits flüchtig mit dem sogenannten informativen Prüfen bekannt, wobei der Pauker, durch die Klasse hopsend, mit dem Zeigefinger auf die Schüler zeigt und da und dort «anklopft», um die Schwächen des Feindes zu erkunden. Je näher die Konferenz rückt, um so mehr wächst der Mut und der Kampfgeist der Pauker; ihre Ausfälle werden häufiger, und nicht selten unternehmen sie Strafexpeditionen bis in die hintersten Bankreihen, was seitens der alten Brummer, die in diesem ruhigen Schutzgebiet ihren privaten Briefwechsel erledigen, nur unwillig hingenommen wird. Alles das zeugt untrüglich dafür, daß der Endkampf nahe ist.
Der Mann hinter dem Pult wartet taktisch die wärmeren Frühlingstage ab, wenn die Jugend, dem Ruf der Wildnis folgend, ganze Nachmittage auf dem Sportplatz zubringt. Sowie diese Jahreszeit anhebt, gräbt der Pädagoge das Kriegsbeil aus und gibt zunächst eine tüchtige Wiederholung auf.
Die Wirksamkeit dieses plötzlichen Vorstoßes wird durch mustergültige Zusammenarbeit auf der ganzen Linie erhöht. Die Paukersippe entwickelt einen großangelegten Angriff nach einem wohldurchdachten Plan.
«Ich weiß, daß Sie noch andere Fächer haben», sagt jeder einzelne Pauker, um sich keine Gewissensbisse machen zu müssen, «aber ich kann mir nicht helfen.» Wenn der Lehrer sich nicht helfen kann, müssen sich die Schüler allein helfen. Die Methoden der Selbsthilfe sind mannigfaltig und scharfsinnig.
Ein gewagtes Verfahren ist das sogenannte Dribbeln, zu deutsch Umschweife machen. Es gibt nur wenige Meister im Dribbeln, die der Stolz der Klasse sind. Die Grundlage des
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