seiner wissenschaftlichen Volkstümlichkeit und der großen Verbreitung seines Lehrbuches «Wie lerne ich spielend die Derivationsmathematik», das sich offenbar die breiten Massen erobert hat.
Tag und Nacht arbeitet er an der Verbesserung seines Lehrbuches und denkt auch während des Unterrichts darüber nach, weshalb er meist geistesabwesend ist, wenn ein Schüler an der Tafel rechnet. Sowie aber der Prüfling einen Bock schießt, erwacht der Mathematiker aus seinem Traum und beginnt zu wettern. Ansonst gilt er als gutmütig und als ein Lehrer, der den Schülern etwas beizubringen vermag, so daß sie sich bei der Reifeprüfung auszeichnen. So viel über das erhabene Wesen des Mathematikers und seine Kunst, die Mathese.
Die gediegenen Stunden
Was den Charakter und die Gediegenheit der einzelnen Unterrichtsstunden betrifft, so werden von den Pennälern neben Leibesübungen und Gesang besonders Geschichte, Erdkunde und Biologie geschätzt, soweit verständige und gesetzte Lehrer unterrichten. Geradezu beglückend sind die Stunden der älteren, mit dem Leben ausgesöhnten Pauker, die hinterm Katheder sitzen und mit angenehm einförmiger Stimme der Genauigkeit halber aus dem Lehrbuch vorlesen. Diese weisen Männer haben auch ein scharfsinniges Prüfungssystem, das die Klassendetektive im Nu aufdecken, so daß im voraus verläßlich errechnet werden kann, wer aufgerufen wird. Während der Prüfling an der Tafel so leise wie möglich - um die anderen nicht zu stören - die Herrscherfolge herunterleiert, gibt sich die Klasse süßem Schlummer hin, dem Lesen von Detektivgeschichten und spannenden Romanen, Vermutungen über die Aufstellung für das morgige Fußballtreffen mit der Tertia A, dem Lösen von Kreuzworträtseln und anderen Unterhaltungen. Stunden dieser Art sind, obgleich in den Lehrplänen nicht das geringste davon erwähnt wird, die einzige Erholung der überlasteten Schüler, indem sie ihnen die verdiente Ruhe gönnen und das zarte Nervensystem der lernenden Jugend vor dem Zusammenbruch bewahren.
In den Stunden der liebenswürdigen, dösenden Pädagogen kann man auch ungestört eine Partie Schach, Dame oder Mariage spielen, Karikaturen der Pauker zeichnen oder mit dem Kameraden am anderen Ende der Klasse Briefe wechseln. Voll Achtung und Dankbarkeit gedenke ich an dieser Stelle meines Geschichtslehrers, der nie seinen Stammplatz hinterm Katheder verließ und nur ab und zu mit einem taktvollen «Aufpassen!» die allzu lebhaft sich entwickelnden Spiele oder die unterirdische Tätigkeit der Klasse auf das rechte Maß zurückführte. In seiner väterlichen Güte gönnte er den Schülern sogar ein wenig leise Unterhaltungsmusik, die bekanntlich vortrefflich zur Beruhigung der Nerven beiträgt. Die Konzerte wurden anfangs von einem Mundharmonikaduo ausgeführt, später jedoch erfand man ein geniales System von Klassenmusik. Die besten Akustiker der Klasse spannten zwischen den Bänken dünne Schnüre und Saiten, und nach längerer Übung gelang es einer Gruppe junger Künstler, diesem neuartigen Instrument auch die schwierigsten Musikstücke in durchaus persönlicher, verblüffender Wiedergabe zu entlocken. Diese szenische Musik lieferte die melodramatische Begleitung zu den Vorträgen des Herrn Professors: Der ernste Choral
begleitete die Ausführungen über die Anfänge des Christentums in unseren Gauen; der Marsch der Soldaten Xenophons durch Klein-Asien wurde mit dem damals volkstümlichen Lied illustriert; die eisernen Ritter Przemysl Ottokars traten unter den Klängen des Liedes zum Kampf an; die Gestalt Heinrich Plantagenets, der Ginster als Helmschmuck zu tragen pflegte, wurde durch den Kehrreim gebührend charakterisiert. Wenn der Herr Professor die Französische Revolution schilderte, tönte die zündende, kämpferische Marseillaise aus den Schnüren, und wenn er von der Belagerung Prags durch den Grafen von Schwerin erzählt, das Lied: Die Aufzählung jener melodramatischen Vorführungen würde allein ein ganzes Büchlein füllen. Dieses Beispiel soll zeigen, was unter einer mustergültigen Unterrichtsmethode zu verstehen ist. Dank dieser Konzertveranstaltungen bestehe ich noch heute ganz annehmbar in Geschichte.
Ein besonders vergnüglicher Sport ist das