Pennäler contra Pauker
Abschnitt angelangt, wo nämlich der Schüler in seinem Kampf gegen die Paukerschaft in Konflikt mit der Schulordnung gerät, was voraussetzt, daß er von einem Pauker erwischt wird. Davon soll noch im Kapitel über die Erziehung künftiger Männer von Lebensart und Charakter an den höheren Schulen die Rede sein. Inzwischen geben wir hier einen knappen Überblick über die üblichen Vergehen in der Schule sowie Proben einer bislang unbekannten und unerforschten literarischen Gattung: nämlich der Eintragung in das Klassenbuch.
Von den Sitten und Unsitten des Pennälervolkes
Das übliche Vergehen, dessen sich ein richtiger Schüler täglich schuldig macht, ist das sogenannte Ruhestören. Man versteht darunter den Inbegriff folgender verabscheuungswürdiger Taten: Der Übeltäter boxt, pufft oder kneift seinen Nachbarn, schwatzt, dreht sich um, versetzt dem Vordermann eine, stößt ihn von hinten, rutscht hin und her, scharrt mit den Füßen, lärmt und begleitet den Vortrag des Lehrers mit halblauten Bemerkungen. Ein Jüngling, der keine der hier aufgezählten Sportarten pflegt, sollte von einem Psychiater untersucht werden. Die gewöhnliche Erscheinung aber, das ist ein junger Mann, der einen hohen Grad von Regsamkeit an den Tag legt, und «unruhiges Element» oder «der böse Geist der Klasse» genannt wird. Bei den Mädchen kommt das Boxen, Puffen und Kneifen in geringerem Maße vor, dagegen ist unter ihnen ein bemerkenswertes Plappern und Schnattern im Schwange.
Gibt es in einer Klasse mehrere «Elemente», dann verursachen sie die sogenannte Unruhe, die sich aus dem ursprünglichen Brummen und Summen zum Getöse steigert und in Tigergebrüll gipfelt. Jede Klasse zeichnet sich als Kollektiv durch eine andere Art von Gebrüll aus, und das geübte Ohr erfahrener alter Pädagogen unterscheidet je nach dem Gejohle, welche Klasse gerade die Treppe hinunter in den Turnsaal oder auf den Schulhof stürmt. Mädchenklassen entwickeln bloß ein abscheuliches Piepsen, das in einem geradezu lächerlichen Gegensatz zu dem Kampflärm der Männer steht. Das Brüllen schallt in der Regel vor Beginn des Unterrichts aus den Klassen und ist für den Pauker ebenso unerläßlich wie für den Flieger das Heulen des Motors. Der von einer Klasse entwickelte Stimmaufwand ermöglicht dem Pauker, den Unterricht auf mannhafte Weise zu eröffnen. Er stürzt wie ein Raubtierbändiger in die tobende Klasse und überschreit mit einem donnernden «Ruhe» die ganze lärmende Gesellschaft. Sodann haut er mit dem Lehrbuch auf den Tisch und brüllt: «Wer brüllt hier wie ein Stier?»
Nur in einem einzigen Ausnahmefall pflegt es in der Klasse mäuschenstill zu sein. Und zwar dann, wenn der Pauker lange nicht kommt und die Hoffnung aufblitzt, daß er vielleicht erkrankt sei oder verschlafen habe. Nach fünf Minuten gespannten Wartens tritt Grabesstille ein, damit auch nicht das geringste Geräusch einen der Pauker, der durch den Korridor schleicht, herbeilocke.
Vermag ein Pauker mit einem «Element» nichts im guten auszurichten, entschließt er sich, ihn im Klassenbuch zu verewigen. Wir haben bereits so eine reizvolle Eintragung in das Klassenbuch wiedergegeben und zögern nicht, hier noch einige andere anzuführen, um den Leser mit dieser unvergleichlich schönen Prosa bekanntzumachen. Die angeführten Proben zei- 1 gen, daß sich die Eintragungen in das Klassenbuch durch persönlichen Stil und bewundernswerte Abfassungstechnik auszeichnen und in vereinzelten Fällen einen geradezu dichterischen Schwung erreichen.
«Schwegler, der Ältere, krähte im Singen mit falscher Stimme, indem er Stimmwechsel vortäuschte. Vor der Schule sang er dann mit lauter Stimme ein vulgäres Lied, womit er einerseits den Beweis erbrachte, daß er nur aus Lausbüberei falsch gesungen hatte, andererseits ersuche ich um exemplarische Bestrafung, da das Lied unanständig war.»
«Wallner stört in meiner Stunde durch ununterbrochenes
Schwatzen und halblautes Geflüster in der Hoffnung, er werde in der Menge verschwinden.»
«Klaar, Siegfried, flüstert während des Rechnens, aber er flüstert nicht, wie man so gemeinhin flüstert, sondern flüstert... hehehehe... um mich zu ärgern.»
«Kaulbach benimmt sich auf folgende Weise frech: Ich ordne an, daß die Schüler Hefte und Federn für die Klassenarbeit in Latein mitbringen sollen. Kaulbach: Bitte dürfen wir auch den Schmöker mitbringen?»
«Bernt, Georg, war hinter dem Ofen versteckt. Als ich die Klasse
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