Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
sie davon zu überzeugen, dass dies das Beste sei, was ihnen widerfahren konnte, und um das zu erreichen, sprach er die Gefühle seiner Spieler an. »Etwa im Oktober sagte ich dem Präsidenten, das Ende meiner Zeit als Trainer stehe unmittelbar bevor. Aber ich konnte es euch damals nicht sagen, denn das wäre problematisch gewesen. Jetzt ist es endgültig. Der nächste Trainer, der hier übernimmt, wird euch Dinge geben, die ich nicht mehr geben kann. Er wird stark sein. Für mich hätte es ein Risiko bedeutet, weiterzumachen, weil wir einander verletzt hätten. Ich halte sehr viel von euch und würde mir so etwas nie verzeihen. Es hat viele Spielzüge gegeben, die ich mir vorgestellt habe und die ihr verwirklicht habt. Also werde ich mit dem Gefühl gehen, meine Arbeit gut gemacht und meine Pflicht erfüllt zu haben. Dieser Klub hat eine unaufhaltsame Kraft, aber ich bin der Trainer mit der dritthöchsten Zahl an Spielen in seiner Geschichte – in nur vier Jahren. Was wir erreicht haben, ist außergewöhnlich, weil Trainer in Barcelona nicht lange im Amt bleiben. Und wir haben so lange zusammengearbeitet, weil wir gewonnen haben. Aber während all das geschah, ließ meine Kraft nach. Ich gehe jetzt als sehr glücklicher Mann. Der Präsident hat mir ein anderes Amt angeboten, aber ich muss alles hinter mir lassen, wenn ich neue Kräfte sammeln will.«
Nachdem er dies gesagt hatte, herrschte Schweigen. Also fuhr er fort. »Ich wollte euch das jetzt sagen, nachdem wir aus den großen Wettbewerben ausgeschieden sind, sodass ich Zeit habe, mich von allen zu verabschieden und euch einzeln in mein Büro zu bitten, um mich persönlich zu bedanken. Ich möchte keinen Applaus oder sonst etwas, also … lasst uns jetzt trainieren.«
Und Pep klatschte in die Hände, um zu unterstreichen, dass jetzt alles gesagt war; es war eine Anweisung, aufzustehen und weiterzumachen. Die Klubgeschichte hatte in weniger als einer Viertelstunde eine neue Wendung erfahren. Die Spieler waren verwirrt und durcheinander.
Pep verlangte an jenem Tag auf dem Trainingsplatz von seinen Spielern nur sehr wenig. Er wusste, dass er ihnen einen schweren Schlag versetzt hatte. Für die Spieler, die jetzt auf den Platz liefen, bedeutete dieses Training die ersten Schritte auf dem Weg zur Heilung. Für Pep war es der Anfang vom Ende einer Reise, die vor rund dreißig Jahren in einem verschlafenen katalanischen Dorf namens Santpedor begonnen hatte.
Teil II
Vom Dorfplatz in Santpedor
auf die Trainerbank im Camp Nou
Dorfplatz in Santpedor. Ein beliebiger Morgen im Jahr 1979
Auf der Anfahrt nach Santpedor, dem Ort, in dem Pep aufwuchs, hat man einen erstaunlichen Blick über das gewaltige Tal, in dem die Gemeinde liegt. Die Luft ist frisch, aber sie riecht nach trockener Erde. Am Horizont türmen sich die felsigen Umrisse des Montserrat-Massivs, des ebenso eindrucksvollen wie symbolträchtigen »gesägten« Berges Kataloniens. Das Massiv erhebt sich aus dem Tal wie ein riesiges Ausschneidemodell aus Pappe und gibt einen majestätischen Hintergrund für den verschlafenen katalanischen Ort ab, der etwa 70 Kilometer von Barcelona entfernt liegt.
Eines der ersten Gebäude, an denen man am Ortsrand der 7500-Einwohner-Gemeinde vorbeikommt, ist das neue Haus von Guardiolas Eltern. Erbaut hat es Peps Vater, ein Maurer – ein modernes, dreistöckiges Gebäude unweit der Hauptstraße. Es steht in einem Ortsteil mit vielen Neubauten. Fährt man weiter Richtung Ortsmitte, erinnern ein paar baufällige Fabriken an die jüngere industrielle Vergangenheit und bieten einen starken Kontrast zu den mittelalterlichen Torbögen. Santpedor ist ein Ort, in dem sich die Menschen auf der Straße grüßen, ob sie sich nun kennen oder nicht. Und diejenigen, die sich kennen, halten inne für einen kurzen Schwatz über die gängigen Themen, wie sie es jeden Tag tun. Die breiten Straßen verengen und verbinden sich allmählich zu engen Labyrinthen, jahrhundertealten Straßen, die zu Santpedors beiden Hauptplätzen führen, zur Pla Ç a Gran und zur Pla Ç a de la Generalitat. Der zuletzt genannte Ort war auch als Pla Ç a de Berga bekannt, wird aber heute meist als »der Platz, an dem Guardiola geboren wurde«, bezeichnet.
An jedem Morgen des Jahres 1979 kam ein magerer, acht Jahre alter Junge aus dem Haus Pla Ç a de la Generalitat Nr. 15 und ging, einen Fußball unter den Arm geklemmt, die paar Schritte bis zur Mitte des Platzes. »Guardi«, wie ihn die Dorfbewohner nannten, das
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