Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Kind mit den spindeldürren Beinen, rief nach seinen Freunden, zu denen auch ein Mädchen namens Pilar zählte, und forderte sie zum Mitmachen auf. Er kickte den Ball so lange gegen eine Mauer, bis so viele seiner Freunde eingetroffen waren, dass es für ein Spiel reichte.
Damals gab es noch keine PlayStation, und der Autoverkehr war noch nicht so dicht, dass man Ampeln gebraucht oder dass eine echte Gefahr für eine Kinderschar bestanden hätte, die sich dem Straßenfußball widmete. Pep spielte, bevor er zur Schule ging, und nach Schulschluss auf dem Nachhauseweg. Der Junge nahm den Ball überallhin mit, um spielen zu können, in den Pausen, zur Mittagszeit, auf den gepflasterten Straßen, um die Brunnen herum. Er war sogar dafür bekannt, dass er seine Fußballkünste übte, während die Familie zu Abend aß, und seine Mutter war es schließlich müde, ihn zu tadeln: »Lass den Ball mal fünf Minuten liegen und komm zum Essen!« So ist es wohl bei vielen Kindern und vielen Müttern in Städten und Dörfern auf der ganzen Welt.
In der damaligen Zeit war alles sehr viel entspannter; es gab, so sieht es Guardiola, weniger »Verhaltensvorschriften«, weniger »Bürokratie«. Man ging mit dem Fußball auf den Dorfplatz und spielte, bis es so dunkel war, dass man den Ball nicht mehr sah – so einfach war das. Man musste weder auf einen richtigen Fußballplatz gehen noch Spiele organisieren oder eine feste Zeit verabreden. Es gab keine Torpfosten und Netze und auch keine Schilder, die Kindern alle Arten von Ballspielen verboten.
Ein metallenes Garagentor diente als Fußballtor, und es gab immer Streit darum, wer ins Tor gehen musste. Pilar wollte niemals ins Tor; sie hatte einen strammen Schuss und konnte gut mit dem Ball umgehen – und mehr als ein Jahrzehnt lang sollten ihre Übungsstunden mit Pep und der Bande der Frauenmannschaft im Nachbardorf zugute kommen.
Streit gab es auch immer um die Frage, zu welcher Mannschaft Pep gehören sollte. Die Taktik war schlicht: Gib ihm den Ball, damit er das Spiel machen kann. All seinen Freunden war klar, dass er besser war als alle anderen, dass er etwas besaß, was die anderen nicht hatten. Um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, beschloss man letztlich, dass Pep die beiden Mannschaften einteilen sollte – sodass sie mehr oder weniger gleich stark waren –, und das bedeutete zugleich, dass Pep schon in einem sehr jungen Alter ohne zu zögern die Rolle des Anführers übernahm.
Und wenn bei einem dieser Straßenfußballspiele, die den ganzen Samstag oder Sonntag dauern konnten, eines der Kinder mit einem verirrten Schuss auf dem Dorfplatz für Sachschaden sorgte, bewahrte Pep den Verursacher und die ganze Bande mit einem Lächeln stets vor Ärger. Heute fahren Autos über den Platz und parken in dessen Mitte. Er ist kein Ort für Kinderspiele mehr.
Als Pep nach Barcelona zurückkehrte, um Trainer der zweiten Mannschaft zu werden, machte er regelmäßig kurze Abstecher nach Santpedor und unternahm ausgedehnte Spaziergänge in der Umgebung des Ortes. Pep, dessen Nachdenklichkeit an Meditation grenzt, fuhr auch in der Zeit, in der er den Karrieresprung von der zweiten zur ersten Mannschaft erwog, viele Male in seinen Heimatort. Seine Gegenwart ist an verschiedenen Ecken des Orts zu spüren, auch wenn er dort während der vier Jahre, in denen er als Trainer der weltbesten Mannschaft die Fußballwelt veränderte, kaum zu sehen war. Das Fußballstadion ist nach ihm benannt; sein Foto schmückt mehrere Bars; einen Stein in der Platzmitte ziert eine Gedenktafel, die der örtliche Fanklub dem FC Barcelona gewidmet hat, der übrigens in den zurückliegenden vier Jahren 100 weitere Mitglieder im Ort hinzugewonnen hat. Die Popularität des volkstümlichen Fußballspiels hat in dem Maß zugenommen, in dem der Zuspruch für die Handballteams geschwunden ist. Die Kinder des Orts wollen nur noch Fußball spielen. Und sie erzählen voller Stolz, dass sie aus Pep Guardiolas Heimatgemeinde kommen: aus Santpedor.
Ein bisschen von Pep steckt also in Santpedor, aber eindeutig ist auch sehr viel Santpedor in Pep festzustellen. Die geflüsterten Unterhaltungen, die man im Ort zu hören bekommt, werden auf Katalanisch geführt, auch Hinweisschilder und Straßennamen sind in dieser Sprache gehalten. Die Senyera – die katalanische Flagge – hängt von vielen Balkonen, und Graffiti auf einigen verlassenen Häusern verweisen auf die Gefühle der Menschen für ihre Nation und ihr ausgeprägtes
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