Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
trösten.
Guardiola hatte sich bis 1994 als der Spieler etabliert, der Bar Ç as Spiel dirigierte. »Meine Rolle bestand darin, den Ball auf dem Platz zirkulieren zu lassen, als Zulieferer für meine Teamkameraden, die den Spielzug abschlossen«, sagt er. Durch den Abschied Zubizarretas war Guardiola zum neuen Anführer geworden, der auf dem Platz wie auch außerhalb für das Umsetzen von Cruyffs Anweisungen zuständig war.
Nur selten geriet ihm aus dem Blick, was alles zu dieser Rolle gehörte. Für ihn war Fußball ein Mannschaftssport, aber seine ausgeprägte Begeisterung für dieses Spiel machte ihn zu einem bedingungslosen Bewunderer der Besten. Ganz besonders verehrte er die magischen Spielerpersönlichkeiten, die ein Spiel in ein Spektakel verwandeln konnten. Als Romário sich dem FC Barcelona anschloss, lud Cruyff den Brasilianer und Pep, den Mannschaftskapitän, zum Abendessen ein. Der Coach war verblüfft von der Bewunderung, ja Verehrung, die Pep dem Neuzugang erwies. Diese nahezu unterwürfige Begeisterung für den neuen Star war so auffällig, dass Cruyff die Gelegenheit nutzte, als Romário auf die Toilette ging, und Pep ermahnte, er solle sich nicht wie ein vom Starruhm geblendeter Fünfzehnjähriger aufführen.
Leider hatte das spielerische Niveau der Mannschaft seit jenem schicksalhaften Abend in Athen nachgelassen. Cruyff war mittlerweile mit elf Titeln zum erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte geworden (Pep sollte ihn später darin übertreffen), und er ist bis heute der Coach mit der längsten Amtszeit geblieben. In den beiden letzten Jahren bis zu seinem Abschied im Jahr 1996 holte er jedoch keinen Titel mehr und verwickelte sich in einen in aller Öffentlichkeit ausgetragenen und erbittert geführten Streit mit dem Klubpräsidenten Josep Lluís Núñez.
Cruyff verpflichtete in seinem letzten Jahr als Cheftrainer (1995/96) Luís Figo von Sporting Lissabon, aber die erhoffte deutliche Verbesserung der Ergebnisse auf dem grünen Rasen blieb aus. Das Ende war absehbar, sobald Bar Ç a auch rein rechnerisch keine Chance mehr auf den Meistertitel hatte. Dieser Zwischenstand war nach dem drittletzten Spieltag der Liga erreicht, unmittelbar nach dem Ausscheiden im Halbfinale des UEFA -Cups gegen Bayern München und nach der Endspielniederlage im spanischen Pokalwettbewerb gegen Atlético Madrid. Cruyffs Verhältnis zum Klubpräsidenten Núñez war untragbar geworden, und auf die Spitze getrieben wurde das am 18. Mai, unmittelbar vor dem letzten Training, das dem abschließenden Heimspiel gegen Celta Vigo vorausging: Nach einer äußerst hitzigen Debatte zwischen Cruyff und dem Vizepräsidenten Joan Gaspart im Büro des Trainers im Camp Nou wurde der Mann, der dem FC Barcelona die erfolgreichste Zeit in der gesamten Klubgeschichte beschert hatte, entlassen.
Der Holländer hätte nach dem Saisonende ohnehin nicht weitergemacht, aber sein Wunsch war es gewesen, den Rest der Saison noch gut über die Bühne zu bringen und im Sommer dann einen würdevollen Abschied zu nehmen. Der Streit mit der Klubführung nahm ihm diese Möglichkeit, und die Entdeckung, dass der Klub bereits einen Vorstoß zur Verpflichtung von Bobby Robson unternommen hatte, der ihm nachfolgen sollte, bedeutete eine weitere Demütigung für ihn. Guardiola verhielt sich in dieser konfliktbeladenen Zeit so, wie es wohl die meisten Spieler halten würden: Er sah sich mit einem gewissen Abstand an, wie alles auseinanderfiel.
Im Camp Nou waren beim ersten Spiel nach der Ära Cruyff zahllose Transparente mit Sympathiebekundungen für den Geschassten zu sehen, mit denen ihm zugleich für all die Erfolge gedankt wurde, die er dem Klub ermöglicht hatte. Der Klub war gespalten in Cruyff- und in Núñez-Anhänger. Letztlich scheiterte selbst der Mann, der die Geschichte des FC Barcelona so entscheidend geprägt hatte, an dem enormen Druck, der in diesem Klub herrschte, an den Konflikten hinter den Kulissen und an dem sich verschlechternden Verhältnis zu den Vorstandsmitgliedern. Cruyff war weg, aber eines der beständigsten Elemente seines Vermächtnisses blieb in Gestalt von Pep Guardiola, einem hageren, jungen Spieler im zentralen Mittelfeld, der sich zum Sinnbild und zur Verkörperung der Spielphilosophie entwickelte, die der Holländer in den Klub gebracht hatte.
Auf Cruyff folgte dann Bobby Robson, ein jovialer 63-jähriger Trainer, dem die erfahrenen Spieler bald – nach einer Werbefigur für billigen Wein – den Spitznamen
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