Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Feierlichkeiten zum Saisonende hielten sich in Grenzen. Bobby Robson hatte bereits im April jenes Jahres erfahren, dass der Klub sich mit Louis van Gaal auf dessen Engagement als Cheftrainer für die folgende Saison geeinigt hatte, was ebenfalls nicht dazu beitrug, die Feierlaune zu heben.
Für Guardiola bedeutete das die Chance, vom Baumeister des in den 90er-Jahren wieder erfolgreicher werdenden Ajax-Teams zu lernen, das er so sehr bewunderte. Aber dann kam es zu einem persönlichen sportlichen Missgeschick.
Zu Beginn der folgenden Saison – bereits im August 1997 – zog Pep sich bei einem Champions-League-Spiel gegen die lettische Mannschaft Skonto FC eine Muskelverletzung zu, die so lange undiagnostiziert blieb, bis es viel zu spät war. Er bemerkte, dass etwas nicht stimmte, als er auf dem Weg zu einem Feinkostgeschäft Mühe hatte, auf die andere Straßenseite zu sprinten, bevor die Fußgängerampel auf Rot umschaltete. Was zunächst nach einer ziemlich harmlosen Wadenmuskelverletzung ausgesehen hatte, sorgte letztlich dafür, dass Pep den größten Teil der Saison 1997/98 verpasste, weil er auf der scheinbar endlosen Suche nach der genauen Ursache des Problems einen Spezialisten nach dem anderen aufsuchte. Erst am Ende jener Saison – in der Barcelona mit dem neuen Trainer das Titel-Double von Meisterschaft und Pokal gewann – erhielt Pep die erforderliche Behandlung und unterzog sich im Sommer einer Operation, nach der er auch noch Spaniens desaströsen WM -Auftritt 1998 in Frankreich verpasste.
Auf die Verletzung folgte eine lange und mühevolle Genesungsphase, und nach jenem schicksalshaften Sprint über die Einkaufsstraße sollte es rund 15 Monate dauern, bis Guardiola in Barcelonas erster Mannschaft wieder ein schmerzfreies Fußballspiel absolvieren konnte. Sein Comeback feierte er am 5. Dezember 1998 im Riazor-Stadion gegen Deportivo La Coruña, bis dahin war die Saison 1998/99 fast schon halb vorbei.
Böswillige Zungen behaupteten damals, Guardiolas allzu langes Fehlen und seine mysteriöse Verletzung, die mit van Gaals erster Saison im Klub zusammenfielen, seien mehr als nur bloßer Zufall, und der Spieler vermeide es, unter der Leitung des Holländers zu spielen. Es trifft zwar zu, dass van Gaal mit den örtlichen Medienvertretern oft im Streit lag, trotz zweier Meistertitel und eines spanischen Pokalsiegs während seines stürmisch verlaufenden dreijährigen ersten Engagements im Klub, doch die Vermutung, Guardiola, der katalanische Lokalmatador, habe mit dem holländischen Coach auf Kriegsfuß gestanden, ist nicht korrekt. Van Gaal machte Pep rasch als zwingenden Nachfolger von Guillermo Amor im Kapitänsamt aus, und Pep wollte von diesem Trainer, den er sehr bewunderte, viel lernen. Die beiden diskutierten immer wieder über Fußball, Taktik, Stellungsspiel und Übungsformen für das Training. »Neben Juanma Lillo ist er der Trainer, mit dem ich am meisten gesprochen habe. Vor allem zu Beginn, denn gegen Ende seiner Amtszeit wurde der Kontakt weniger, zeitlich und auch inhaltlich«, erinnert sich Pep.
Als ich van Gaal um ein Interview bat, bei dem er so viel wie möglich über sein persönliches Verhältnis zu Guardiola erzählen sollte, kam der Holländer – der zu diesem Zeitpunkt aus eigenem Entschluss nicht mit Journalisten sprach – dieser Bitte sehr gerne nach und plauderte über Pep, seinen ehemaligen Spieler und Schüler. Das ist zugleich auch ein Beleg für den gegenseitigen Respekt, den die beiden füreinander empfinden.
Van Gaal sagte, ihm sei schnell klar geworden, dass Pep, der damals noch ein relativ unerfahrener junger Spieler war, über eine angeborene Fähigkeit verfügte, die ihm in einer gemischten Gruppe aus Gleichaltrigen und Älteren und Erfahreneren die Führungsrolle zuwies: »Ich ernannte Guardiola zum Kapitän, weil er über Fußball reden konnte. Man sah, dass er ein taktisch denkender Spieler war. Er redete wie ein Trainer, damals schon. Das können nicht viele Spieler. Guardiolas Lieblingsposition war die des Sechsers im zentralen Mittelfeld, weil er von dort aus das Spiel überblickte und über die persönlichen Fähigkeiten verfügte, es zu lenken. Er war jünger als Amor und Nadal, aber er war mein Kapitän. Ich sagte ihm bei einer Besprechung, dass ich ihn ausgewählt hatte, und er erwiderte: ›So läuft das beim FCB nicht, normalerweise ist der älteste Spieler im Team der Kapitän.‹ Aber ich gab nicht nach: ›Nein, du bist der Einzige, mit dem ich
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