Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
klären, ist, morgen das Spiel zu gewinnen! Wenn wir die Treppe hochgehen, um den Pokal in Empfang zu nehmen, könnt ihr die Stufen zählen, okay?«
Siebzehn Monate nach seinem Debüt im Profiteam, am 20. Mai 1992, stand Guardiola, wie erwartet, in der Startelf für das Europapokal-Endspiel. Johan Cruyff gab den Spielern eine einfache Anweisung, bevor sie auf den Platz liefen: »Geht raus und genießt es.« Dieser Satz verkörperte eine komplette Fußballphilosophie und machte den Kern von Cruyffs Grundsätzen aus; anderen Betrachtern mag er jedoch in seiner Schlichtheit – ausgesprochen unmittelbar vor einem so wichtigen Spiel – wie eine Beleidigung der Trainerzunft vorkommen.
Barcelona-Fans, -Spieler und -Verantwortliche feierten ausgelassen, nachdem Ronald Koeman in der 110. Minute, in der zweiten Halbzeit der Verlängerung, einen Freistoß zum Siegtor verwandelt hatte, doch mindestens ein Träger eines Bar Ç a-Trikots hatte inmitten von Chaos und Euphorie noch etwas anderes im Sinn. Während das ganze Stadion jubelte, als ein Barcelona-Spieler nach dem anderen den im Insider-Jargon auch als »Old Big Ears« bekannten Siegerpokal hochhielt, schloss Zubizarreta zu Guardiola auf und sagte: »Du hattest unrecht, Junge, es sind 33 Stufen. Ich hab sie gerade gezählt, eine nach der anderen.«
»Ciutadans de Catalunya, ja teniu la copa aquî« («Bürger von Katalonien, ihr habt bereits den Pokal hier«), rief Guardiola vom Balkon des Generalitat-Palasts in Barcelona, des Amtssitzes des Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft Katalonien. Es war kein Zufall, dass Barcelonas heimkehrende Helden den Bewohnern dieser Stadt ihren ersten europäischen Meisterpokal genau an der Stelle präsentierten, an der, knapp 15 Jahre zuvor, der ehemalige (Exil-)Präsident Kataloniens, Josep Tarradellas, mit einem ähnlich lautenden Satz seine Rückkehr aus dem Exil verkündet hatte (»Ciutadans de Catalunya, ja soc aquî!«, »Hier bin ich!«). Guardiola, ein katalanischer Vertreter des Teams und des Klubs, verstand die Bedeutung der Krönung des FC Barcelona zur europäischen Fußball-Supermacht und seine jetzt fest etablierte Rolle als Sinnbild der Nation.
»Dieser Abend in Wembley war unvergesslich: Meine größte Erinnerung. Er verwandelte sich in eine Party, die uns auch noch durch die folgenden Ligaspiele trug«, erinnert sich Guardiola. Nur wenige Tage später gewann Barcelona, im Mittelfeld angeführt vom jungen Pep, auf wahrhaft dramatische Weise einen historischen spanischen Meistertitel. Real Madrid flog am letzten Spieltag der Saison als Tabellenführer der Primera División nach Teneriffa und brauchte dort zum Titelgewinn noch einen Sieg, was für viele eine ausgemachte Sache war. Auf eine 2:0-Pausenführung Reals folgte jedoch ein katastrophaler Einbruch in der zweiten Halbzeit, Madrid verlor das Spiel noch und musste damit die Meistertrophäe den Rivalen in Barcelona überlassen.
Cruyff verwandelte einen Klub, der vor 1992 auf nationaler Ebene erfolgreich gewesen war, es aber nicht geschafft hatte, sich auf der europäischen Bühne dauerhaft und ganz oben an der Spitze durchzusetzen, und etablierte Barcelona als ernsthafte Macht im internationalen Maßstab. Und er brachte nicht nur ein einzigartiges fußballerisches Modell auf den Weg, sondern bewirkte mehr: Er forderte die Barcelona-Fans dazu auf, sich ihren Ängsten zu stellen und die Opfermentalität zu überwinden, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ein durchgängiges Merkmal der Identität des Klubs gewesen war. Diese Mannschaft, eine Ansammlung von brillanten Einzelkönnern wie Ronald Koeman, Christo Stoitschkov, Romário, Michael Laudrup und Andoni Zubizarreta, bei der José Mari Bakero und Pep Guardiola im Mittelfeld die Fäden zogen, wurde zu einer Einheit, die alle Welt mit wunderschönem und dennoch effizientem, schnellem und flüssig kombiniertem Fußball verband. Überall nannte man sie das Dream Team.
Das Jahr 1992 ging für den Fußballer Pep märchenhaft weiter, und nicht lange nach dem Europapokalsieg feierte er mit der spanischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Barcelona den Gewinn der Goldmedaille. An die Nationalmannschaft erinnert sich Guardiola allerdings mit gemischten Gefühlen: »Das ging an mir vorbei wie Sand, der einem durch die Finger rinnt.«
Die spanische Olympiamannschaft traf sich knapp einen Monat vor Turnierbeginn zu einem Trainingslager in der Nähe von Palencia im Norden Spaniens, etwa 700 Kilometer von
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