Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
bei einer Anhörung vor Gericht, um auf die Toilette zu gehen. Ein Herr im gesetzten Alter betrat jenen Ort kurz nach ihm, stellte sich neben Orobitg und gab einen kryptischen Satz von sich: »Manchmal müssen die Unschuldigen sterben, wenn man die Schlacht gewinnen will.« Es handelte sich um eine sehr hochrangige Person, die mit dem Verfahren befasst war.
Ein Berufungsgericht in Brescia sprach Guardiola am 23. Oktober 2007 schließlich von jeder strafbaren Handlung frei, nachdem der wissenschaftliche Beweis erbracht worden war, dass die Testergebnisse, auf denen die Anschuldigungen beruhten, nicht glaubwürdig waren. Diese Entwicklung hatte mit Estiartes zufälliger Teletext-Entdeckung begonnen. »Ich habe die Akte geschlossen und werde sie in einem Karton ablegen. Ich möchte nicht darüber sprechen, aber wenn irgendjemand eines Tages dazu recherchieren will, ist noch alles da und kann wieder hervorgeholt werden«, sagte Pep dem Journalisten Ramón Besa, mit dem er gut befreundet ist.
Die vorherrschende Gefühlslage war natürlich eine Mischung aus Erleichterung und Glück, aber da war noch viel mehr. Guardiola hatte eine enorme Belastung mit sich herumgeschleppt, die plötzlich weggefallen war. Immer sind wir dem Scheinwerferlicht der öffentlichen Untersuchung nahe, der gefürchteten Frage: »Was werden die Leute sagen?« In jener Zeit schlugen ihm Misstrauen und Zweifel entgegen, und er wollte beides loswerden. Er sehnte sich einfach nach der Bestätigung seiner Unschuld und forderte, dass das Justizwesen seinen Irrtum eingestand. Es war eine Riesenaufgabe, bei der er unweigerlich zum Scheitern verurteilt war – niemand geht in einen Rechtsstreit ohne das Stigma, dass ein Verdacht zurückbleibt, ohne dass irgendein Trauma fortbesteht. Die Anschuldigung bleibt im Gedächtnis, nicht das abschließende Urteil.
Ja, er hat seine Unschuld bewiesen und hart dafür gekämpft. Er wurde letztlich freigesprochen, sein Ruf und seine Integrität waren wiederhergestellt, aber er wollte unbedingt gesichert wissen, dass niemand, der ihm nahestand, etwas Ähnliches durchmachen musste. Also ging der Kampf auf eine gewisse Art weiter.
Der Kapitän der zweiten Mannschaft des FC Barcelona, die er damals trainierte, kam im Namen der gesamten Mannschaft in sein Büro, um ihm zur Entscheidung des Berufungsgerichts zu gratulieren. Während Pep noch zuhörte, erkannte er, dass er eine sehr enge Bindung zu seinen Spielern entwickelt hatte, ein Sicherheitsnetz, das er seinen Schützlingen bot und das letztlich all seine Kräfte verzehrte, ein väterliches Gefühl. Es rührte vielleicht von der Isolation und dem Gefühl der Verlassenheit her, das er während jenes langen Rechtsstreits empfunden hatte.
Der italienische Fußballverband ließ sich mit der offiziellen Anerkennung des Freispruchs durch das Berufungsgericht bis zum Mai 2009 Zeit. Zu diesem Zeitpunkt war Pep bereits der erfolgreiche Trainer des FC Barcelona. Sein Dopingfall schaffte es zu Beginn auf die Titelseite, aber der Freispruch war dann nur noch eine kurze Randnotiz wert.
Nach einer Saison in Brescia wechselte Pep, dessen Dopingverfahren noch nicht abgeschlossen war, im Sommer 2002 zum AS Rom. Das Motiv für diesen Wechsel war weniger die Gelegenheit, für einen bedeutenderen Klub zu spielen, sondern der Trainer Fabio Capello, den Pep sehr bewundert, obwohl die beiden eine unterschiedliche Auffassung vom Fußball haben. Pep wollte unbedingt Capellos striktes Defensivkonzept kennenlernen und entschlüsseln, mit welchen Mitteln dieser Trainer Druck auf einen Gegner ausübte. Während seines Engagements in Rom spielte er zwar wenig, lernte aber eine Menge. »Er spielte nicht viel, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits vor dem Ende seiner Karriere stand«, sagt Capello. »Er war ein sehr disziplinierter Spieler und fragte mich nie nach einer Erklärung, warum er nicht spielte. Er wusste, wie meine Vorstellung von Fußball aussah, aber er war langsam und hatte einige Probleme mit der Physis. Er war gedankenschnell, wusste, was zu tun war, bevor der Ball zu ihm kam, und sein Stellungsspiel war sehr clever. Und er war ein Führungsspieler.«
Zu kurze Einsatzzeiten für Guardiola in Rom sorgten schließlich dafür, dass er im Januar 2003 nach Brescia zurückkehrte, wo er mit Roberto Baggio und Luca Toni zusammenspielte.
Peps zweite Zeit in Brescia näherte sich noch im selben Jahr ihrem Ende, als er einen Anruf von Paul Jewell erhielt, dem damaligen Trainer von Wigan
Weitere Kostenlose Bücher