Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
eigenen Erfahrungen mit den Trainingsmethoden von Cruyff, Robson, van Gaal, Mazzone oder Capello reichten ihm nicht, deshalb reiste er nach Argentinien, um sein Wissen zu vertiefen. Dort traf er sich mit Ricardo La Volpe (einem ehemaligen Nationaltorwart, der als dritter Torhüter der argentinischen Weltmeistermannschaft 1978 angehört hatte und unter anderem Nationaltrainer Mexikos gewesen war), Marcelo Bielsa (dem viel bewunderten ehemaligen Nationaltrainer Argentiniens und Mexikos und Trainer von Athletic Bilbao) und César Luis Menotti, alias El Flaco , »der Dürre« (dem Trainer, der Argentinien 1978 zum WM -Titel geführt hatte), zu ausführlichen Fachgesprächen. Menotti sagte nach diesem Besuch: »Pep kam nicht hierher, um sich von uns erzählen zu lassen, wie man eine Mannschaft betreut. Das wusste er bereits.«
Mit seinem Freund David Trueba fuhr Guardiola die mehr als 300 Kilometer von Buenos Aires nach Rosario, wo er mit Bielsa verabredet war. Das Treffen der beiden Fußballgrößen fand in der charca (Villa) des Argentiniers statt, und es wurden elf intensive und ergiebige Stunden. Die beiden tauschten mit ganz und gar offener Neugier ihre Ansichten aus. Es kam zu hitzigen Diskussionen, Recherchen am Computer, Technikerörterungen, detaillierten Analysen und szenischen Rekonstruktionen zum Stellungsspiel, wobei Trueba einmal einen Stuhl in die Manndeckung nahm. Die beiden Männer teilten ihre Obsessionen, ihre Manien und ihre Leidenschaft für das Spiel miteinander – und erklärten, als sie aus der charca wieder herauskamen, ihre auf Gegenseitigkeit beruhende ewige Bewunderung füreinander.
Pep und Bielsa haben viel gemeinsam: Sie lieben Mannschaften, die dominant auftreten, auf dem Platz den Ton angeben wollen und das Tor des Gegners zu ihrem Hauptziel machen. Und sie können Leute nicht leiden, die nach Niederlagen um Ausreden bemüht sind, auch wenn eine Niederlage für sie beide eine zermürbende Empfindung ist, die sie bedrückt und isoliert, weil sie die Schande nicht ertragen können, die mit einer Niederlage verbunden ist – sie haben das Gefühl, die ganze Gruppe enttäuscht zu haben, wenn sie nicht die Punkte einfahren. Bielsas Mannschaften »können schlecht oder gut spielen, aber das Talent hängt von der Inspiration ab und die Leistung von jedem einzelnen Spieler: Die Einstellung ist nicht verhandelbar«, sagte Marcelo, El Loco, zu Pep und fügte hinzu, dass seine Mannschaften nicht gewinnen könnten, wenn es ihm nicht gelinge, das zu vermitteln, was er empfinde. Pep stimmte zu und machte sich fleißig Notizen.
Es ist kein bloßer Zufall, dass Pep in zwei entscheidenden Situationen seiner eigenen Trainerlaufbahn viele von Bielsas Ideen, Methoden, Ausdrücken und philosophischen Perlen verwendete: bei seiner Vorstellung als neuer Cheftrainer der ersten Mannschaft des FC Barcelona vor der Presse und bei der Rede, die er bei seinem letzten Heimspiel als Bar Ç a-Trainer auf dem Rasen des Camp Nou hielt. »Denken Sie, ich sei allwissend geboren worden?«, gab er zurück, wenn jemand auf diese Übereinstimmungen hinwies.
Bielsa stellte Pep eine provozierende Frage, bevor sie die Villa verließen: »Du bist jemand, der über all die negativen Dinge Bescheid weiß, die in der Fußballwelt ablaufen, auch über die große Unehrlichkeit, die manche Menschen an den Tag legen. Warum willst du immer noch dorthin zurückkehren und Trainer werden? Hast du so sehr Blut geleckt?« Pep dachte nicht lange nach. »Ich brauche dieses Blut«, antwortete er.
Am Ende seines Argentinien-Aufenthalts fühlte er sich besser vorbereitet als je zuvor; keineswegs rundum präpariert, denn Pep wird niemals völlig zufrieden sein, aber er fühlte sich gut genug, um alles, was er gelernt hatte, jetzt dem Praxistest zu unterziehen.
Bei seiner Rückkehr nach Spanien brachte man Pep mit Nàstic Tarragona in Verbindung, einem anderen katalanischen Klub, der damals in der ersten Liga um den Klassenerhalt kämpfte. Dort wäre er Luis Enriques Assistent geworden. Der Nàstic-Vorstand diskutierte über das Gespann Pep Guardiola und Luis Enrique, aber beide wurden letztlich als zu unerfahren eingestuft, weil keiner von beiden bis dahin als Trainer gearbeitet hatte, und es gab nie ein konkretes Angebot.
Stattdessen ergab sich eine andere Chance: Der FC Barcelona wollte mit Pep über ein Engagement in irgendeiner Form sprechen, das ihn zu dem Klub zurückbrachte, den er sieben Jahre zuvor verlassen hatte.
Monaco,
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