Per Anhalter (German Edition)
Möglichkeit, je wieder lebend aus der Nummer heraus zu kommen.
Das, und das Vertrauen auf Hilfe von außen.
Um die muss Mama sich kümmern. Sie muss und sie wird.
Er musste in der Zwischenzeit diese Leute so weit bringen, dass sie ihm vertrauten, dass er genau das nicht tun würde – nämlich fliehen.
Sie sollten glauben, er fühle sich bei ihnen wohl. Das würde ihnen ganz sicher gefallen!
Ohne Handschellen oder sonstige Fesseln, würde eine Flucht möglich sein.
Aber noch konnte er nicht unbemerkt aus diesem Wohnwagen verschwinden – unmöglich.
Er schlich zurück zum Bett und kroch auf das offene Fenster zu.
Mario stand direkt davor! Eine Zigarette klemmte in seinem Mundwinkel und der Rauch wehte durch das Fenster hinein. Nur ein paar Meter daneben stand Lasse.
Er sah aus wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal mit Papa den großen Drachen steigen lässt.
Fasziniert und fröhlich.
„HALT JETZT DEIN MAUL, HASSAN!“ brüllte Mario.
„Gib mir das Seil, Lasse.“
Was zum Henker geht denn da jetzt ab , wunderte sich David.
Lasse tat wie geheißen und reichte Mario ein langes weißes Seil.
Dabei lachte er wieder sein infantiles Hohlbratzen-Lachen.
Wieder ein Hämmern.
Auf einmal schaute Lasse zum Fenster – David wich zurück.
Lauschte… Aber offenbar hatte er ihn nicht gesehen.
Ein Glück .
Es war nicht gut wenn sie wussten, dass er wach war.
Immer noch nicht – sie sollten ruhig weiter im Glauben bleiben, er würde friedlich schlummern. Wieder hämmerte etwas gegen die Wohnwagenwand und dem folgte nun ein herzzerreißendes Heulen.
Wumms – Wumms – Wumms – Immer wieder. Dadurch fing das Baby, das sich gerade erst wieder eingekriegt hatte, erneut an zu wimmern.
Ein unwohles Gefühl kroch in David hoch (ein weiteres unwohles Gefühl. Es ist beachtlich, wie viele unterschiedliche Facetten Beklommenheit und allein Panik haben konnte!).
Er wollte unbedingt wissen, was dort draußen vor sich ging, aber um jeden Preis wollte er vermeiden, dass er dabei gesehen wurde.
„HALT FEST!“ befahl Mario, und er hörte, wie Lasse daraufhin wieder „Whoa-hor-hor“ oder so ähnlich machte.
David riskierte erneut einen vorsichtigen Blick und duckte sich sofort wieder.
Marios kahlgeschorener Meister Propper-Kopf befand sich so dicht darunter, dass er theoretisch nur einen Finger rausstrecken brauchte, um ihn berühren zu können.
Das allerdings hatte er nicht vor.
„Sooo ist gut, alter Junge. Und jetzt müssen wir… warte mal… zieh ihn mal darüber.“
Das Geräusch sich entfernender Schritte.
Lasse murmelte etwas, das David beim besten Willen nicht verstand.
Mario entgegnete ihm jedenfalls, er würde schon sehen was gleich geschah.
Wieder wagte David es, durch den Spalt zu schauen.
Solange sie sich nur entfernten, war es gut.
Doch was er nun sah, verschlug ihm den Atem!
Lasse und Mario zerrten den Hund hinter sich her. Ja, den Hund, dieses riesige Ungetüm von einem Hund!
Jeder hielt ein Stück Seil in den Händen, das über der Schulter lag. Verzweifelt versuchte das Tier, sich aus den Fesseln zu befreien.
Daher auch das Heulen , bemerkte David. Und das hämmernde Geräusch war der Schwanz oder vielleicht der Kopf oder die Pfoten, die gegen den Wohnwagen schlugen. Der Hund sieht aus wie… ein großer Sack oder ein Stein… Ungefähr so, stellte er sich vor, mussten die Pyramiden erbaut worden sein. Von Männern, die in Tau eingepackte Gesteinsbrocken hinter sich her zogen. Nur war das hier kein Stein, sondern ein Tier . Ein Tier das vollkommen zugezurrt war – vorne, hinten, oben und unten – Alles war festgebunden.
Zugegeben war das ein Tier, auf das David gut verzichten konnte, denn der Hund war eine wütende Bestie, und zugegeben der Grund, warum er nicht abgehauen war, als Lasse und Mario ihm im Wald auflauerten.
Vor ihnen hätte er fliehen können, aber nicht vor dem Hund…
Das war aber auch ein Riesenköter. Und trotz allem tat er ihm jetzt gerade leid. E
in Hund gehörte nicht in Seile verpackt und zugezurrt, und gegen seinen Willen irgendwohin verschleppt. Ein Mensch auch nicht…
Lasse fing auf einmal lautstark an zu lachen. Nicht so, wie ein normaler, erwachsener Mensch lacht – eher wie ein Kind. Ein Kind das giggelt und total von der Rolle ist. Ein Kind in der Achterbahn oder im Karussell. So lachte Lasse.
Der Kontrast dazu kam direkt aus dem Wohnwagen – das Mädchen weinte und weinte und weinte.
Noch schlimmer als zuvor.
Dann
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