Per Anhalter (German Edition)
deshalb in Gustavs Gegenwart auch nur einen Deut wohler fühlte, aber es bedeutete, dass er nicht die Nerven verlor. Vielleicht war es auch einfach nur Respekt . In jedem Fall wartete Mario ab, bis Gustavs Lachattacke abklang, und dieser den Mund schloss um weiter zu kauen. Er hatte auch nicht wirklich verstanden, weswegen Gustav überhaupt gelacht hatte, aber manchmal gab es dafür auch keinen besonderen Grund. Vielleicht hab ich was am Mund kleben, wodurch ich albern aussehe. Oder er hat an etwas Lustiges gedacht, was er mal erlebt hat. Oder aber er ist einfach eine Frohnatur. Wer weiß?!
Er lag jetzt auf dem Rücken. Mario konnte sehen, wie das Ei durch seine Speiseröhre wanderte. Dann setzte Gustav sich aufrecht hin und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.
„Willst du auck ein Kaffe haben?“ Mario überlegte kurz, dann nahm er das Angebot mit einem Kopfnicken an. Kaffee war immer ein guter Begleiter bei Verhandlungen und außerdem konnte er gut einen vertragen um wieder klar im Kopf zu werden.
Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Gustav durchaus für Verhandlungen offen war. Auch Mario nahm eine sitzende Position ein. Jetzt, da der erste Schock und der erste Anflug von Wut verflogen war, war es Zeit, mit dem Kopf zu arbeiten anstatt mit dem Bauch.
Gustav ist vom Herzen her ein guter und aufrechter Mensch, überlegte er, aber wenn man ihm dumm kommt, kann er auch ganz anders. Außerdem scheint er es nicht so klasse zu finden, wenn man ihn unter Druck setzt. Also mache ich ihm keinen Druck sondern lasse mich auf ihn ein. Er ist der Dirigent, er gibt den Takt vor… aber wenn meine Stunde schlägt…
„Gut ein Kaffe an die Morgen, nä? Ick kann ohne nick mal ricktig denken.“,
„Ich auch nicht!“ pflichtete Mario ihm bei. Bei Tageslicht wirkte Gustav zwar kein bisschen schöner, dafür aber um Längen harmloser. Ein riesiger Kuschelteddy. „Was mack du hier? Nu muss du ersmal mir erzählen.“,
„Na ja, du… Ich hatte etwas Stress mit meiner Frau, verstehst du? Ziemlich großen Stress um genau zu sein. Ich hab sie verlassen und die Zelte hinter mir abgebrochen. Es ging einfach nicht mehr, wir haben uns nur noch gezofft und… na ja, das Übliche.“,
„Und denn komm du nack Sweden?“,
„Ich liebe Schweden! Ich bin eigentlich hier um zur Ruhe zu kommen weißt du?! Dass ich jetzt hier bei dir hänge war so nicht geplant.“,
„Aaah-ha-ha“ lachte Gustav augenzwinkernd, „Und was habt du für Schjeiße gebaut?“,
„Scheiße gebaut?“,
„Ja, du habt auf jeden Fall Schjeiße gebaut. Du sagten was von deine Tockter und eine Arsch volle Kohle.“,
„Das Angebot gilt noch!“ sprang er sofort auf das Thema auf. „Fifty/Fifty. Die Hälfte du, die andere Hälfte ich. Ein bisschen was brauche ich auch, um mir ein neues Leben aufzubauen. Aber es ist genug da. Wir werden uns da schon einig, denke ich…“
Mario sprach gar nicht weiter. Es brachte nichts, denn Gustav war schon wieder am Lachen. Er schüttelte den Kopf, nippte an seinem Kaffee
„Was ist? Was ist daran jetzt wieder so komisch?“,
„Aaah nix, Kneckt, nix, nix!“,
„Doch, du lachst. Und ich will jetzt wissen warum.“ Gustav stellte die Tasse ab, bog die Hände ineinander bis es knackte und streckte sich.
„Hab du dich noch nick umgekuckt?“ wollte er wissen. „Tu mal! Kuck dich um, unge Mann. Und denn muss du nock mal zu mi komm.“,
„Was? Worauf willst du hinaus?“ Gustav lachte schon wieder. Seine Kaffeetasse stürzte auf dem Tablett um und überschwemmte es.
„Du biss doch nick blöt, Mann! Kuck mal ein bisschjen nach recks und ein bisschjen nach links und denk einmal naahck!“
Und genau das tat Mario. Er guckte ein bisschen nach rechts und ein bisschen nach links, wobei er an seinem Kaffee nippte.
„Wenn du Milk wills is auck da!“ sprach Gustav von hinten. Mario ging gar nicht darauf ein, denn er trank seinen Kaffee immer schwarz. Außerdem stellte er gerade fest, dass er sich wirklich wie ein Affe benahm mit seinen paar Kröten…
Warum war ihm das eigentlich nicht direkt aufgefallen? Er hatte den geschmackvollen Stil zwar bemerkt, aber sich gar nicht großartig Gedanken darüber gemacht. Jetzt jedoch schon. Allein der riesige, in die Wand integrierte Flachbildfernseher… Die futuristischen Sessel… Die bizarren Gemälde an der Wand. Dann die Glaskuppel über ihnen, durch die man direkt gen Himmel blicken konnte… Oben war außerdem ein Geländer, ringsherum, ein riesiges Obergeschoss.
Und
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