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Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Titel: Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerth Medien GmbH
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vergessen, was Sie getan haben.
    Da standen Sie, an den Kleinlaster gelehnt, auf einem Ölfeld in Texas. Irgendeine Art Ingenieur waren Sie. Auf jeden Fall für uns einer von den Chefs. Ihre Khakihose und das saubere Hemd unterschieden Sie von uns einfachen Arbeitern. In der Hackordnung auf dem Ölfeld standen wir ganz unten. Sie waren der Boss. Wir waren die Arbeiter. Sie beschäftigten sich mit Plänen und Zeichnungen. Wir gruben die Gräben. Sie kontrollierten die Rohre, wir verlegten sie. Sie aßen mit den Bossen in den Baubuden, wir aßen als Arbeiter zusammen draußen irgendwo im Schatten.
    Außer an jenem Tag.
    Ich erinnere mich noch genau an meine Verwunderung darüber, dass Sie es taten.
    Wir waren wahrhaftig kein toller Anblick. Was an uns nicht verschwitzt war, war ölverschmiert. Sonnenverbrannte Gesichter; vom Schmieröl geschwärzte Haut. Mir machte das alles aber nicht so viel aus, denn ich war nur den Sommer über dort. Für die anderen war es ihr Alltag, ihr Leben. Die meisten waren illegale Einwanderer aus Mexiko. Andere waren Herumtreiber, die rastlos und ohne Wurzeln in der Prärie umherzogen.
    Es war auch kein besonderes Vergnügen, uns zuzuhören. Unsere Sprache war grob und ungehobelt. Nach der Mittagspause zündeten wir uns Zigaretten an und begannen, schmutzige Witze zu erzählen. Irgendjemand hatte immer ein Kartenspiel dabei mit halb nackten Mädchen auf den Kartenrückseiten. Eine halbe Stunde lang, und zwar während der schlimmsten Mittagshitze, wurde das Ölfeld zu unserem Las Vegas – voller übler Sprüche, schmutziger Geschichten und Kartenspielen um Geld.
    Als wir mitten im Spiel waren, kamen Sie dann auf uns zu. Ich dachte, Sie wären wegen irgendeiner Arbeit da, die keinen Aufschub duldete, und deshalb stöhnte ich gemeinsam mit den anderen auf, als ich Sie kommen sah.
    Sie waren nervös, traten von einem Fuß auf den anderen, als Sie zu reden begannen.
    „Hallo, Leute“, fingen Sie an.
    Wir wandten uns Ihnen zu und sahen Sie an.
    „Ich, äh, ich wollte euch, äh, einladen …“
    Ihnen war merklich unbehaglich. Ich hatte zwar keine Ahnung, was Sie sagen wollten, aber mir war klar, dass es nichts mit der Arbeit zu tun hatte.
    „Ich wollte nur sagen, äh …, dass in unserer Gemeinde heute Abend ein Gottesdienst stattfindet …“
    „Was?“ Ich konnte es einfach nicht glauben. Er redete von der Kirche? Hier draußen? Bei uns?
    „Ich wollte euch nur alle einladen, doch zu kommen.“
    Schweigen. Brüllende Stille. Ein Schweigen, als hätte gerade eine Nonne eine Puffmutter gebeten, doch bitte ihr Bordell für eine Messe zur Verfügung zu stellen. Ein Schweigen, als hätte ein Steuerfahnder die Mafia zu einem Seminar über Steuerintegrität eingeladen.
    Einige der Jungs starrten vor sich in den Staub. Andere wechselten vielsagende Blicke. Ein heimliches Gekicher war eben unter der Oberfläche zu erahnen.
    „Ja, das war’s dann eigentlich auch schon. Wenn also jemand kommen möchte … gebt mir einfach Bescheid.“
    Nachdem Sie wieder gegangen waren, drehten wir uns weg und prusteten los. Wir nannten Sie „Pfarrer“, „Prediger“ und „der Papst“. Wir machten Witze darüber, was wohl passieren würde, wenn einer von uns sich wirklich in den Gottesdienst wagen würde. Sie wurden an diesem Tag zur Zielscheibe unserer Witze. Ich bin sicher, dass Ihnen das auch klar gewesen ist. Ich bin sicher, Sie sind in der Gewissheit zu Ihrem Wagen zurückgegangen, dass Sie sich zum Narren gemacht hatten und sonst nichts. Falls Sie das aber wirklich gedacht haben, hatten Sie sich getäuscht.
    Und das ist der Grund für diesen Brief.
    Ich habe in dieser Woche an Sie gedacht. Ich habe an Sie gedacht, als ich dann in der Bibel über jemanden las, der in der Mittagspause ein Risiko einging. Ich musste an Sie denken, als ich die Geschichte von dem Jungen las, der sein Pausenbrot Jesus gab.
    Er hatte nicht viel Proviant für den Tag dabei. Ja eigentlich war es nichts im Vergleich mit der Menge an Nahrungsmitteln, die nötig gewesen wäre, um 5000 Menschen satt zu bekommen. Wahrscheinlich kämpfte er mit dem Gedanken, dass das sowieso völlig unsinnig sei. Was war denn schon sein bisschen Proviant für so viele Menschen? Wahrscheinlich fragte er sich sogar, ob sein Einsatz überhaupt der Mühe wert sei.
    Wie weit reicht schon ein Pausenbrot?
    Ich glaube, das war auch der Grund, weshalb er das, was er dabeihatte, nicht den Menschen dort gab, sondern Jesus. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass

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