Percy Jackson, Band 4: Percy Jackson - Die Schlacht um das Labyrinth
warf sie in den Nebel. Die Münze verschwand.
»O Iris, Göttin des Regenbogens«, flüsterte ich. »Zeig mir ⦠äh, was immer du mir zeigen sollst.«
Der Nebel bewegte sich. Ich sah ein dunkles Flussufer. Nebelschwaden schwebten über dem Wasser. Der Strand war mit spitzem Lavagestein übersät. Ein Junge kauerte am Flussufer und hütete ein Lagerfeuer, das in einer unnatürlichen blauen Farbe brannte. Dann sah ich das Gesicht des Jungen. Es war Nico di Angelo. Er warf Papierstücke ins Feuer â mythomagische Tauschkarten aus dem Spiel, von dem er im vergangenen Winter besessen gewesen war.
Nico war erst zehn, oder jetzt vielleicht elf, aber er sah älter aus. Seine Haare waren länger geworden. Sie waren struppig und fielen fast auf seine Schultern. Seine Augen waren dunkel und seine olivbraune Haut war bleicher geworden. Er trug zerfetzte schwarze Jeans und eine offene verschlissene Fliegerjacke, die mehrere Nummern zu groà war, über einem schwarzen Hemd. Sein Gesicht war verschmutzt, seine Augen ein wenig wild. Er sah aus wie ein Junge, der auf der StraÃe lebt.
Ich wartete darauf, dass er mich ansah. Zweifellos würde er auÃer sich vor Wut sein und mir vorwerfen, ich hätte seine Schwester sterben lassen. Aber er schien mich nicht zu bemerken.
Ich hielt still, ich wagte nicht, mich zu bewegen. Wenn nicht er diese Iris-Botschaften geschickt hatte, wer dann?
Nico warf eine weitere Tauschkarte in die blauen Flammen. »Nutzlos«, murmelte er. »Ich kann nicht fassen, dass mir dieser Kram je gefallen hat.«
»Ein kindisches Spiel, junger Herr«, sagte eine andere Stimme zustimmend. Sie schien aus der Nähe des Feuers zu kommen, aber ich konnte nicht sehen, wem sie gehörte.
Nico starrte über den Fluss. Auf dem anderen Ufer lag ein in Nebel gehüllter schwarzer Strand: die Unterwelt. Nico kampierte am Ufer des Styx.
»Ich habe versagt«, murmelte er. »Es gibt keine Möglichkeit, sie zurückzuholen.«
Die andere Stimme schwieg.
Nico drehte sich zweifelnd um. »Oder? Sprich!«
Etwas bewegte sich. Ich dachte, es sei einfach das Feuer gewesen, aber dann merkte ich, dass es die Umrisse eines Mannes hatte â ein Hauch von blauem Rauch, ein Schatten. Wenn man ihn direkt ansah, war er nicht da. Aber wenn man ihn aus dem Augenwinkel betrachtete, konnte man seine Umrisse erkennen. Ein Geist.
»Es ist noch nie gelungen«, sagte der Geist. »Aber vielleicht gibt es einen Weg.«
»Sag ihn mir«, befahl Nico. Seine Augen leuchteten entschlossen auf.
»Ein Tausch«, sagte der Geist. »Eine Seele für eine Seele.«
»Das habe ich angeboten!«
»Nicht Eure«, sagte der Geist. »Ihr könnt Eurem Vater keine Seele anbieten, die er sich irgendwann sowieso holt. Und er wartet auch nicht gerade ungeduldig auf den Tod seines Sohnes. Ich meine eine Seele, die schon tot ist. Jemand, der den Tod ausgetrickst hat.«
Nicos Gesicht verdüsterte sich. »Nicht schon wieder. Du redest von Mord.«
»Ich rede von Gerechtigkeit«, sagte der Geist. »Von Rache.«
»Das ist nicht dasselbe.«
Der Geist lachte trocken. »Ihr werdet eines Besseren belehrt werden, wenn Ihr älter seid.«
Nico starrte die Flammen an. »Warum kann ich sie nicht wenigstens heraufbeschwören? Ich will mit ihr reden. Sie würde ⦠sie würde mir helfen.«
» Ich werde Euch helfen«, versprach der Geist. »Habe ich Euch nicht schon oft gerettet? Habe ich Euch nicht durch das Labyrinth geführt und Euch gelehrt, wie Ihr Eure Macht nutzen könnt? Wollt Ihr Eure Schwester rächen oder nicht?«
Der Tonfall des Geistes gefiel mir nicht. Er erinnerte mich an einen Jungen an meiner alten Schule, einen Tyrannen, der andere zu blöden Dingen überredete, wie Gegenstände aus dem Labor zu klauen und die Autos der Lehrer zu demolieren. Der Typ kriegte selber nie Ãrger, sorgte aber dafür, dass die anderen Kinder tonnenweise von der Schule flogen.
Nico wandte sich vom Feuer ab, so dass der Geist ihn nicht sehen konnte, ich dagegen schon. Eine Träne zog eine Spur über seine Wange. »Na gut. Hast du einen Plan?«
»Aber sicher doch«, sagte der Geist und hörte sich überaus zufrieden an. »Wir haben viele düstere Wege zu gehen. Wir müssen aufbrechen â¦Â«
Das Bild flackerte. Nico verschwand. Die Frauenstimme sagte aus dem Nebel:
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