Percy Pumpkin (Bd.1) - Mord im Schloss
macht das auch gar nichts.«
»Vielleicht haben Cyril und Jason ihre Gewehre schon heute ausprobiert«, überlegte Linda. »Und sich dabei gegenseitig erschossen.«
»Unmöglich.« Claire schüttelte den Kopf. »So viel Glück gibt es nur im Märchen.«
»Neben Gack und Gock sitzt unser Cousin Heinrich«, sagte Linda. »Er kommt aus Ingolstadt in Deutschland und ist ein bisschen
verrückt
.«
Percy wusste nicht, warum Linda das so betonte. Abgesehen davon, dass Heinrich etwas düster angezogen war und ziemlich bleich aussah, fand Percy fast alle Mitglieder der Familie Darkmoor
ein bisschen verrückt
– jedenfalls die, die er bislang kennengelernt hatte. Er ließ seinen Blick über die lange Tafel schweifen, um erneut nach seinen Eltern Ausschau zu halten. Schließlich entdeckte er sie. Sie saßen in einiger Entfernung neben zwei unglaublich dürren Damen in dunkelroten Abendkleidern, die Zigaretten aus langen Spitzen rauchten. Es sah aus, als hielten sie dampfende Zauberstäbe in ihren knochigen Fingern. Percys Mutter unterhielt sich angeregt mit Tante Caroline. Sein Vater starrte gedankenverloren vor sich hin. Vermutlich dachte er gerade mit Wehmut an die letzten Weihnachtsferien bei Onkel Ernie zurück.
»Entschuldigen Sie bitte, Sir«, hörte Percy eine freundliche Stimme sagen. Als Claire ihn anstupste, wandte er den Kopf. Jasper stand mit einer dampfenden Suppenschüssel und einer silbernen Kelle neben ihm.
»Du musst deine Serviette runternehmen, sonst kann Jasper dir nicht auffüllen«, flüsterte Claire ihm zu. John rückte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
Schon bald war der ganze Saal vom Klippern und Klappern des Silberbestecks erfüllt. Percy schielte nach links und nach rechts. Außer Heinrich, der den Eindruck erweckte, an seiner Serviette zu nagen, waren alle damit beschäftigt, emsig ihre Suppe zu löffeln. Auch die Erwachsenen hatten aufgehört, sich zu unterhalten – sogar die beiden dürren Damen mit den Zauberstab-Zigaretten langten kräftig zu.
Die Suppe schmeckte vorzüglich und Percy hatte seinen Teller kaum geleert, da wurden auch schon weitere Köstlichkeiten aufgetragen. Es gab Mohrrüben mit frischen Kartoffeln und frittiertem Fisch, eingelegte Krabben, Schweineschnitzel mit knusprigem Speck und ein Ragout, von dem Percy noch drei Portionen hätte essen können, obwohl er eigentlich schon pappsatt war. Darkmoor Hall mochte ja ein gruseliger Kasten sein, aber das Essen war fantastisch!
»Gibt es hier immer so leckere Sachen?«, fragte er Claire, nachdem er sich den Mund abgewischt und einen Schluck Limonade getrunken hatte.
»Natürlich«, sagte seine Cousine und spießte ein letztes Möhrchen auf ihre Gabel. »Brenda ist die beste Köchin der Welt.«
»Aber nur, weil sie fast alles mit unserer Sauce würzt«, sagte Linda.
»
Eure
Sauce?«
Linda hielt ein kleines Fläschchen mit
Aunt Annie’s Worcestershire-Sauce
hoch, das neben einem Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch stand. Percy schaute verdutzt.
»Wieso ist das
eure
Sauce?«, fragte er erstaunt. »Die steht doch in jedem Pub auf dem Tisch.«
»Die Queen benutzt sie auch«, sagte Claire und tippte auf ein verschnörkeltes Emblem, das sich am unteren Rand des Etiketts befand und das Percy noch nie aufgefallen war.
»Onkel Cedric stellt die Sauce in der Fabrik hinter dem Schloss her«, sagte John und prüfte mit einem kurzen Seitenblick, ob er gerade von den Erwachsenen beobachtet wurde. Dann leckte er seinen Teller ab.
»Ihr wollt mich auf den Arm nehmen.« Percy schüttelte den Kopf.
»Wie kommst du denn auf die Idee?« Claire runzelte die Stirn. »Wir können dir die Fabrik gleich nach dem Abendessen zeigen.«
»Wir wollten doch Murmeln spielen«, sagte John.
»Du kannst den Hals auch nie voll kriegen.« Linda beugte sich zu Percy und sagte in einem verschwörerischen Ton: »John luchst dir im Nu deine ganze Sammlung ab. Falls du eine hast. Du spielst doch Murmeln, oder?«
Percy nickte. Er wollte sich gerade noch mal nach der Fabrik für die Würzsauce erkundigen, als der Nachtisch serviert wurde. Für eine Weile vergaß Percy alle Saucen, Murmeln und Schlösser dieser Welt, denn es gab Grießpudding mit Erdbeerkompott, eine seiner Leibspeisen.
Köchin Brenda brachte das Kompott persönlich in mehreren kleinen Schüsseln zur Tafel. Sie war die rundeste Person, der Percy jemals in seinem Leben begegnet war, sah dabei aber so rosig und frisch aus wie ein Radieschen. Percy mochte sie auf Anhieb gut leiden.
Weitere Kostenlose Bücher