Percy Pumpkin (Bd.1) - Mord im Schloss
an den Wänden hatten das Format von Billardtischen. Percy bekam feuchte Hände – das Gefühl der Vertrautheit war schlagartig verschwunden. Er hatte den Eindruck, von Hunderten Augenpaaren angestarrt zu werden. Nicht nur die Vorfahren von Claire und Linda schauten aus ihren Bilderrahmen ziemlich finster auf ihn hinab, auch die Herrschaftenan der langen Tafel in der Mitte des Saals schienen ihn mit zusammengezogenen Brauen zu mustern. Ganz besonders zusammengezogen waren die Brauen eines ganz besonders hageren Mannes mit ganz besonders wenigen Haaren. Er saß neben Onkel Toby und entweder störte ihn dessen fröhlicher Redeschwall oder die Ankunft Percys missfiel ihm. Vielleicht auch beides.
»Das ist Onkel Eric«, flüsterte Linda. »Der guckt immer so, als hätte er gerade in ein fauliges Fischbrötchen gebissen, nimm das nicht persönlich.«
»Dahinten sind unsere Plätze«, flüsterte Claire. »Los, schnell. Jasper kommt gleich mit der Suppe.«
Sie rannten an einer Unmenge bereits besetzter Stühle vorbei. Percy hatte noch nie so viele Personen an einem Tisch sitzen sehen, nicht einmal bei der Weihnachtsfeier im Fußballverein seines Vaters. Wo waren eigentlich seine Eltern?, fragte er sich plötzlich, konnte sie aber nirgends entdecken. Er kletterte auf den gewaltigen Stuhl, den Jasper für ihn vom Tisch wegzog. Ihm gegenüber saßen zwei rothaarige, ungefähr sechsjährige Kinder, die noch spitzere Nasen hatten als Claire und Linda. Sie beschossen ihn aus einem kleinen Blasrohr mit Papierkügelchen, die sie vorher im Mund zerkaut hatten. Percy konnte nicht erkennen, ob es Jungen oder Mädchen waren.
»Das sind Dick und Dolores«, sagte Linda mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Zwei ganz besonders
reizende
Kinder aus dem heruntergekommenen Whimsey Castle inCornwall. Sie sind zusammen so schlau wie eine Teekanne. Sie und ihre noch viel reizenderen Eltern erfreuen uns jedes Jahr zu Weihnachten mit ihrem Besuch.«
Dick und Dolores kicherten und feuerten weitere Kügelchen ab. Die Erwachsenen rechts von ihnen schien das nicht weiter zu interessieren. Sie unterhielten sich über irgendetwas, das aus Frankreich kommen musste, denn Percy hörte immer wieder Namen wie
Fantin Latour, Rose du Roi
oder
Boule de Neige
und
Gloire de Dijon
.
Rechts neben Claire und Linda saß ein dicker Junge mit glatten, eher blonden Haaren, die an seinem runden Kopf zu kleben schienen. Er bekam die meisten von den Spuckekügelchen ab und lächelte Percy etwas gequält zu.
»Das ist dein Cousin John«, stellte Linda ihn vor. »Wenn Jasper nicht gleich mit der Suppe kommt, ist es um ihn geschehen.«
»Hättet ihr mir beim Tee nicht alle Sandwiches weggefuttert, hätte ich jetzt auch nicht solchen Hunger«, beschwerte sich John und blickte auf seinen leeren Suppenteller.
»Bei John musst du aufpassen«, sagte Claire zu Percy. »Ehe man sich versieht, futtert er einem die Hühnchenschenkel weg.«
John murmelte irgendetwas, das Percy nicht verstand.
»Ihm gegenüber sitzt übrigens Nigel«, sagte Claire und deutete auf einen Jungen, der betont gerade am Tisch saß und seine Hände wie Hundepfötchen links und rechts vom Teller liegen hatte.
»Sehr erfreut«, sagte Nigel und nickte Percy kurz zu. Dann richtete er seinen Blick wieder auf die Stickereien auf der Tischdecke und studierte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Er ist bei den Pfadfindern«, flüsterte Claire Percy zu. »Aber hüte dich vor seinen guten Taten. Nigel ist die größte Petze der Grafschaft.«
»Dank Cyril und Jason verbringt er den Großteil seiner Zeit zum Glück gefesselt und geknebelt auf einem Schrank«, sagte Linda.
»Oder in einem Brunnenschacht«, meinte John.
»Oder an einen Apfelbaum gebunden, nicht wahr, Nigel?«
Den Blick weiterhin auf die Tischdecke geheftet, zuckte Nigel nur mit den Schultern und wischte sich dann ein Papierkügelchen von der Nase, das Dick auf ihn abgefeuert hatte.
»Wer sind denn nun Cyril und Jason?«, fragte Percy.
»Sie sitzen normalerweise da drüben«, sagte John und zeigte auf zwei leere Stühle. Daneben erblickte Percy zwei besonders hübsche Mädchen, die fortwährend kicherten und miteinander tuschelten. Sie waren wie Erwachsene geschminkt und trugen Perlenohrringe.
»Und das sind zwei Hühner namens Gack und Gock«, sagte Claire leise, aber doch so, dass die beiden Mädchen es hören mussten. »Ihre richtigen Namen fallen mir leider gerade nicht ein, aber da sie sowieso nicht mit dir sprechen werden,
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