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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Stevens
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ihren Köpfen schnitt ihm das Wort ab. Der gellende Laut hallte gespenstisch von der steilen Klippe wider und schien draußen auf dem Meer zu verklingen. Walter und Hugo waren vor Schreck wie versteinert.
    Ein zweiter Schrei folgte, ein dritter. Dann vernahm man ein träges, stetiges Flattern. Es hörte sich an wie ein Schiffssegel, das sich jäh aufbläht, gefolgt von einer langen Stille. Dann kam wieder das Flattern, dann abermals Stille. Instinktiv sprang Walter auf. Noch während er mit dem Blick den Himmel absuchte, streckte er die Hand aus und zog Hugo hoch.
    Über ihnen zogen drei große geflügelte Silhouetten träge ihre Kreise. Obwohl das Flugmuster dem von Turmfalken und Habichten ähnelte, handelte es sich nicht um gewöhnliche Vögel. Hugo konnte nicht erkennen, wie nah sie waren, aber er schloss aus ihren Bewegungen, dass sie ungewöhnlich groß sein mussten. Ihre Flügelspannweite mochte das Dreifache seiner eigenen Körperlänge betragen. Als sich ihre Köpfe vor der untergehenden Sonne abzeichneten, sah man, dass sie anstelle von Schnäbeln gedrungene Schnauzen besaßen.
    Immer wieder zwischendurch schwebten sie auf der Stelle, schlugen gemächlich mit den Schwingen, um sich in der Luft zu halten.
    »Was sind das denn für welche?«, fragte Hugo und duckte sich unwillkürlich.
    »Irgendwelche Raubvögel offenbar«, antwortete Walter.
    »Und … auf was für eine Beute sind sie aus?«
    Walter nahm seinen Neffen bei der Hand und rannte den Strand hinauf in Richtung Klippe.
    »Auf uns!«

13. Kapitel
    E
in Riesenvogel ging in den Sturzflug. Mit angelegten Schwingen schoss er wie ein Blitz aus heiterem Abendhimmel kopfüber auf seine flüchtende Beute nieder. Er war ein erfahrener Jäger, seine Augen waren so scharf wie seine Klauen.
    Beim Anblick der beiden Gestalten, die wie Käfer über den Sand hasteten, sagte ihm sein Jagdinstinkt, dass das kleinere Opfer leichter zu packen und zu töten wäre. Er ließ die Schwingen angelegt, bis er dicht über der Beute war. Dann breitete er die Flügel unvermittelt weit aus, spreizte die gewaltigen Schwungfedern und flatterte kräftig, um den Sturz abzufangen. Im selben Augenblick drehte er sich, sodass die Füße nach unten wiesen, gerade so, als setzte er zur Landung an.
    Als er unmittelbar über seiner Beute schwebte, spreizte er die Klauen wie ein hungriges Vogeljunges den Schnabel. Er hatte Entfernung und Zeitpunkt richtig eingeschätzt – seine Klauen streiften die Schultern der kleinen Gestalt. Dann packte er zu.
    Hugo stolperte über einen Geröllbrocken und fiel auf die Knie. Sein Hemd verfing sich irgendwo, aber er machte sich wieder los. Walter zog ihn unsanft hoch. Hugo spürte über sich einen kräftigen Luftstoß wie von einem riesigen Blasebalg undhob den Kopf. Ein aufgespanntes Federdach verdeckte den Himmel, aber schon stieg das Vogelwesen mit kraftvollen Schwingenschlägen wieder himmelwärts.
    Es würde ein Weilchen dauern, bis dem Untier aufging, dass es nichts in den Krallen hielt. Hugo wurde leichenblass, als er begriff, dass er nur davongekommen war, weil er gestolpert war.
    Onkel und Neffe hasteten zur Klippe, drückten sich mit dem Rücken ans Gestein und behielten ängstlich die Vögel im Auge, die immer noch über ihnen kreisten. Während Hugo und Walter sich weiterschoben, tasteten sie die Felswand nach Schutz bietenden Spalten oder Vorsprüngen ab.
    »Sind das Riesenadler?«, raunte Hugo und spähte mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel empor.
    Walter schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Wenn wir auf einer sehr abgelegenen Insel gelandet sind, haben die Tiere Millionen Jahre in völliger Abgeschiedenheit verbracht. Womöglich hat sie noch nie ein menschliches Auge erblickt.«
    Der nächste Vogel setzte zum Sturzflug an. Diesmal sah Walter ihn kommen und schubste Hugo hinter sich. Der schwarze Pfeil sauste auf Walter zu und fuhr unvermittelt die mörderischen Klauen aus. Walter schlug schützend die Hände vors Gesicht und spürte, wie sich die Klauen um seinen Unterarm schlossen. Das Vogelvieh schlug wild mit den Flügeln und Hugo sah es zum ersten Mal von Nahem. Leib und Schwingen waren blauschwarz gefiedert, der Kopf dagegen erinnerte an den einer übergroßen Ratte, mit schwarzen Glubschaugen und einer spitzen Schnauze, aus der zwei lange Zähne ragten. Als das Vieh fauchte, fuhr eine lange schwarze Zunge aus seinem Maul und leckte wie eine Flamme über Walters Gesicht.
    Walter stemmte die Füße verzweifelt in den Sand und

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