Perdido Street Station 01 - Die Falter
entlang. Der Schiffer räuspert sich schleimig und speit einen Klumpen Rotz ins Wasser.
Der weißliche Klecks zerfließt. Die Front der Häuser mit ihrer wächsernen Ummantelung dünnt aus. Schmale Straßen öffnen sich.
Ein Zug pfeift, als er auf Brückengleisen vor uns den Fluss überquert. Ich schaue ihm nach, süd- und ostwärts, und sehe die Lichterkette verschwinden, aufgesogen von diesem Nachtland, diesem Moloch, der seine Bewohner frisst. Bald werden wir die Fabriken passieren. Kräne ragen aus dem Düster wie magere Stelzvögel. Einige sind in Bewegung, um die Schauerleute, die Nachtschicht, mit Arbeit zu versorgen. Ketten schlenkern Lasten wie nutzlose Glieder, erwachen zu ruckhafter Scheinlebendigkeit, wo Zahnräder ineinander greifen und Schwungräder sich drehen.
Plumpe, lauernde Schatten kreisen am Himmel.
Ein Dröhnen, nachhallend, als hätte die Stadt einen hohlen Kern. Der schwarze Kahn tuckert durch ein Geschiebe von seinesgleichen, alle schwer beladen mit Koks und Holz und Eisen und Stahl und Glas. Das Wasser hier reflektiert die Sterne durch einen stinkenden Regenbogen aus Verunreinigungen, Abwässern und chymischem Spülicht, der es beschwert und verfremdet.
(Oh, sich über all das zu erheben, um nicht diesen Unrat, diesen Schmutz, diesen Kot zu riechen, um nicht durch diese Kloake in die Stadt zu gelangen, aber ich muss aufhören, ich muss, ich kann nicht weiter, ich muss.)
Der Motor wird gedrosselt. Ich drehe mich um und betrachte den Mann hinter mir, der den Blick abwendet und steuert und sich den Anschein gibt, durch mich hindurchzusehen. Er bringt uns zum Pier, dort hinter dem Lagerschuppen, dessen Überfülle als ein Labyrinth großer Kisten zwischen den Pfosten nach draußen wuchert. Der Schiffer sucht eine Fahrrinne zwischen den anderen Booten. Aus dem Fluss steigen Dächer. Eine Reihe versunkener Häuser, auf der falschen Seite der Mauer gebaut, im Wasser ans Ufer geschmiegt, ihre geteerten schwarzen Ziegel triefen Nässe. Strudel unter uns, das Wasser brodelt. Tote Fische und Frösche, die den Versuch aufgegeben haben, in dieser Jauche zu atmen, quirlen zwischen der flachen Bordwand des Kahns und dem Betonpier aufgeregt im Wellengekabbel. Die Lücke schließt sich. Mein Schiffer springt an Land und macht fest. Vor Erleichterung brabbelt er vor sich hin; er winkt mich drängend von Bord: Geh deiner Wege, und ich steige aus, langsam, wie auf ein Bett aus glühenden Kohlen, und suche mir einen Weg durch Müll und Scherben.
Er ist glücklich mit den Steinen, die ich ihm gegeben habe. Ich sei in Smog Bend, sagt er mir, und ich zwinge mich, den Blick abzuwenden, als er mir die Richtung weist, damit er nicht merkt, dass ich mich nicht auskenne, dass ich fremd bin in der Stadt, dass ich mich fürchte vor diesen düsteren und bedrohlichen Gebäuden, über die ich mich nicht hinausschwingen kann, dass mir übel ist vor Enge und bösen Ahnungen.
Ein Stück nach Süden hin ragen zwei mächtige Pfeiler aus dem Flussbett. Das Tor zu der Alten Stadt, einst grandios, nun pockennarbig und vom Verfall gezeichnet. Die eingemeißelten Ereignisse aus der Stadtgeschichte, die sich als Reliefband um die Obelisken wanden, wurden ausgelöscht von Zeit und giftiger Luft, und nur schartige spiralige Wülste wie Gewinde alter Schrauben sind geblieben. Dahinter eine niedrige Brücke (Drud Crossing, sagt er). Ich ignoriere seine eifrigen Erklärungen und entferne mich durch diese von Ätzkalk gebleichte Zone, vorbei an gähnenden Türöffnungen, die den Trost echter Dunkelheit versprechen und Zuflucht vor dem Gestank des Flusses. Der Schiffer ist nur mehr eine leise Stimme hinter mir, und es ist eine kleine Freude zu wissen, dass ich ihn nie wiedersehen werde.
Es ist nicht kalt. Im Osten verspricht die Stadt sich selbst einen neuen Morgen.
Ich werde den Gleisen der Hochbahn folgen. Ich werde mich in ihrem Schatten halten, wo sie über die Häuser und Türme und Baracken und Büros und Gefängnisse der Stadt hinwegführen; ich werde mich orientieren an den Streben, die sie in der Erde verankern. Ich muss den Weg ins Herz der Stadt finden.
Mein Umhang (schweres Tuch, ungewohnt und schmerzhaft auf der Haut) zerrt an mir, und ich spüre das Gewicht meiner Börse. Das ist es, was mich hier schützt, das und die Illusion, die ich genährt habe, der Ursprung meines Kummers und meiner Schande, des Schmerzes, der mich in diesen riesigen Horst geführt hat, diese aus Gebein und Stein geträumte Stadt, eine
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