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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Experimenten in Weitsehen und Tiefenwahrnehmung und Lesen. Letzteres beeindruckte ihn am stärksten, da er aus Erfahrung wusste, dass es ihr nicht leicht fiel; sie musste sich konzentrieren wie ein Mensch mit stark eingeschränktem Sehvermögen.
    Sein Interesse war bald wieder abgeflaut. Der menschliche Verstand war unfähig, diese Art des Sehens zu erfassen.
    Lin wanderte durch das Gewimmel der Gauner und Tagediebe von Aspic, die ausschwärmten, um ein paar Schekel zu ergattern, mit Stehlen oder Betteln oder Verramschen, oder dem Durchwühlen der Abfallhaufen, die sich in Abständen am Straßenrand türmten. Kinder schleppten rätselhafte Gebilde aus zusammengeschraubten Maschinenteilen. Gelegentlich schritten naserümpfend »bessere« Herrschaften fürbass, auf dem Weg nach Irgendwo Anders.
    Lins Pantoletten waren bespritzt mit dem organischen Unrat der Straße, reiche Nahrungsquelle für die scheuen Geschöpfe, die aus Abwasserrohren lugten. Die Häuser links und rechts waren hoch, mit flachem Dach, Bretterstege überbrückten die Schluchten dazwischen. Fluchtwege, Abkürzungen: das Straßennetz der Dächerwelt über New Crobuzon.
    Nur sehr wenige Kinder riefen ihr Schimpfnamen hinterher. Man war hier an Xenomorphe gewöhnt. Lin schmeckte die kosmopolitische Zusammensetzung des Viertels, die Ausdünstungen einer Vielzahl von Spezies, von denen sie einige zu identifizieren vermochte. Da war der Moschusgeruch anderer Khepri, die schale Bilge der Vodyanoi, und irgendwo das fruchtige Aroma von Kakteen.
    Lin erreichte den gepflasterten Boulevard rund um Sobek Croix. Eine lange Reihe Droschken warteten entlang des eisernen Zauns, für jeden Geschmack und Anspruch etwas: zweirädrig, vierrädrig, bespannt mit Pferden, hochmütigen Pteravögeln, mit dampfschnaufenden Konstrukten auf Gleisketten und einige sogar mit Remade – unglücklichen Männern und Frauen, die sowohl Kutscher waren als auch Kutsche.
    Lin blieb stehen und winkte. Zu ihrer Erleichterung trieb gleich der vorderste Kutscher seinen störrisch wirkenden Ptera heran.
    »Wohin?« Der Mann beugte sich vor und las die ausführlichen Informationen, die sie auf ihren Notizblock kritzelte. »Klaro«, sagte er und bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung einzusteigen.
    Die Droschke war ein vorn offener Zweisitzer, der Lin während der Fahrt einen Ausblick auf den südlichen Teil der Stadt ermöglichte. Der wippende, wiegende Lauf des Ptera übertrug sich durch die Räder als ein angenehmes Schaukeln auf den Wagen. Sie lehnte sich zurück und überlas ihre Anweisungen für den Fahrer.
    Isaac wäre dagegen. Sehr dagegen.
    Lin brauchte Färberbeeren, und sie fuhr deswegen nach Kinken – wie sie gesagt hatte. Und einer ihrer Freunde, Cornfed Daihat, veranstaltete tatsächlich eine Vernissage in Howl Barrow.
    Doch ohne sie.
    Sie hatte schon mit Cornfed gesprochen und ihn gebeten, ihre Anwesenheit zu bestätigen, sollte Isaac ihn fragen (höchst unwahrscheinlich, aber sie wollte sicher gehen). Cornfed war entzückt gewesen, schleuderte dramatisch die weiße Haarmähne aus dem Gesicht und beschwor die ewige Verdammnis auf sich herab, sollte ihm auch nur ein Sterbenswort entschlüpfen. Er dachte natürlich, sie hätte noch einen zweiten Liebhaber und betrachtete es als Privileg, Teil dieser neuen Wendung ihres bereits skandalösen Liebeslebens zu sein.
    Lin konnte nicht zu seiner Ausstellung kommen. Sie hatte einen anderen Termin.
    Die Droschke näherte sich dem Fluss. Schwankte, als die hölzernen Räder über ein neues Muster aus Pflastersteinen holperten. Sie waren in die Shadrach Street eingebogen. Der Markt lag jetzt südlich von ihnen; sie befanden sich oberhalb des Punktes, wo Gemüse und Schellfisch und überreifes Obst den Abschluss bildeten.
    Voraus blähte sich feist der Flyside-Milizturm über den niedrigen Häuserzeilen. Ein massiger, schmutziger, klobiger Vierkant, plump und ungeschlacht trotz seiner 35 Stockwerke. Schmale Fenster wie Schießscharten durchsetzten das Mauerwerk, die dunklen Scheiben entspiegelt, blind. Die Betonhülle des Turms blätterte ab. Drei Meilen weiter nördlich konnte Lin ein noch höheres Bauwerk erspähen: das Hauptquartier der Miliz, der Spike, der im Herzen der Stadt martialisch aus der Erde stach.
    Lin reckte den Hals. Ein halb gefülltes Luftschiff schwappte obszön über die Dachkanten des Flyside-Turms. Es wogte und wallte und wälzte sich wie ein sterbender Wal. Lin konnte das Summen der Motoren spüren, die sich bemühten, es

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