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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Stadthorizont, am Rand der zentralen Gebäudemasse, stand eine turmhohe Säule. Noch während sie schmatzten und riechschmeckten, wuchs sie höher und höher und oh, wie schlugen sie aufgeregt mit den Flügeln, als die Aromaschwaden sie erreichten und die unglaublich satte Witterung des Phänomens im Æther kochte und brodelte.
    Die übrigen Gerüche und Aromen der Stadt verblassten zu nichts. Erstaunlich schnell verdoppelte das köstliche Aroma seine Intensität, umschmeichelte die Nasen und Zungen der Gierfalter, machte sie wild.
    Einer nach dem anderen stießen sie ein Zwitschern aus, staunenden, entzückten Heißhungers.
    Von den anderen Enden der Stadt, aus allen vier Himmelsrichtungen kamen sie herbei, pfeilschnell auf mächtigen Schwingen, vier hungrige Räuber in der Hoffnung auf reiche Atzung.
     
    Auf der kleinen Konsole zwinkerten Lämpchen. Isaac lief hin, tief gebückt, als könnte er sich unter der Energiefontäne hinwegducken, die aus Andrejs Schädel stieg. Der alte Mann rollte an allen Gliedern zuckend auf dem regennassen Dach hin und her.
    Isaac bemühte sich, ihn nicht anzusehen. Er betrachtete stirnrunzelnd die Konsole, versuchte, aus dem Flackern der Dioden schlau zu werden.
    »Ich glaube, es ist der Konstrukt Konzil«, sagte er durch das Pladdern des Regens. »Er schickt Instruktionen, um die Sperre zu durchbrechen, aber das wird er nicht schaffen. Dies hier«, er streichelte den schwarzen Kasten, »ist zu simpel für ihn. Nichts da, was er umprogrammieren könnte.« Er malte sich die Attacken und Riposten in den femtoskopischen Verästelungen des Drahtgewirrs aus.
    Er hob den Blick.
    Der Weber ignorierte ihn und sie alle, selbstversunken trommelte er mit den Fingern seiner Menschenhand einen komplizierten Rhythmus auf den schmierigen Beton.
    Derkhan schaute mit einer Miene ausgelaugten Widerwillens auf Andrej nieder. Ihr Kopf pendelte sacht vor und zurück, als würde sie von Wellen gewiegt. Ihre Lippen bewegten sich, sie sprach leise mit sich selbst.
    Nicht sterben, dachte Isaac inbrünstig, während er den alten Mann anstarrte und sah, wie dessen Gesicht sich unter den Stichen der brutalen Rückkopplungen zu absurden Grimassen verzerrte, du darfst nicht sterben, noch nicht, du musst durchhalten.
    Yagharek stand an der Dachkante. Er deutete plötzlich in die Höhe, auf einen fernen Quadranten des Himmels.
    »Sie haben den Kurs geändert«, meldete er. Isaac folgte seiner ausgestreckten Hand mit den Augen und sah, was er meinte.
    Weit entfernt, auf halbem Weg zum Stadtrand, hatten drei der patrouillierenden Luftschiffe wie auf Kommando gewendet. Sie waren für das menschliche Auge kaum zu erkennen, Flecken, etwas dunkler als der Nachthimmel, gesäumt von Positionslichtern, doch es gab keinen Zweifel, dass sich ihre planlose Pendelfahrt geändert hatte, dass sie mit voller Kraft auf die Perdido Street Station zuhielten.
    »Sie haben Wind von uns gekriegt«, sagte Isaac. Er empfand keine Angst, nur Anspannung und eine nicht recht zu beschreibende Traurigkeit. »Sie kommen. Gott schiet! Uns bleiben zehn, fünfzehn Minuten, bis sie hier sind. Wir können nur hoffen, dass die Falter sich beeilen.«
    »Nein. Nein.« Yagharek schüttelte heftig den Kopf. Er lauschte konzentriert und winkte ihnen ungeduldig, still zu sein. Isaac und Derkhan erstarrten. Der Weber setzte seinen versonnenen Monolog fort, aber er hörte sich gedämpft und gleichförmig an. Isaac betete, dass er nicht anfangen möge, sich zu langweilen und einfach verschwand. Das Aggregat, das simulierte Bewusstsein, die Krisis – alles würde zusammenbrechen.
    Die Luft um sie herum welkte, platzte wie schrundige Haut, als die Intensität dieser unglaublichen, wuchernden Energiefontäne immer noch zunahm.
    Yagharek horchte in den Regen hinaus. »Leute kommen. Über das Dach.« Mit einer geübten Bewegung zog er die Peitsche vom Gürtel. Das Licht der Natriumdampflampen spiegelte sich auf der Klinge des langen Messers in seiner linken Hand. Er war wieder zum Krieger und Jäger geworden.
    Isaac richtete sich auf und nahm die Steinschlosspistole zur Hand. Er überprüfte eilig, ob sie gereinigt war, und gab Pulver in die Pfanne, im Schutz der Jacke, damit es nicht nass wurde. Er griff nach dem Kugelbeutel. Sein Herz schlug nur wenig schneller.
    Er sah, dass Derkhan sich bereitmachte zum Gefecht. Auch sie hatte ihre Pistolen gezogen und überprüfte sie; ihre Augen waren kalt.
    Auf dem Dachplateau, fünfzehn Meter unter ihnen, war ein kleiner

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