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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Trupp uniformierter Gestalten aufgetaucht. Man sah sie nervös zwischen Erkern und Dachreitern laufen, von einer Deckung zur nächsten; ihre Piken und Flinten klapperten. Ihre Gesichter waren unsichtbar hinter glatten, spiegelnden Visieren, die einzelnen Teile der gepanzerten Schutzkleidung schlugen beim Laufen schwer gegen den Körper; diskrete Abzeichen informierten über den Rang. Sie schwärmten aus, näherten sich dem Schrägdach aus verschiedenen Winkeln.
    »O Jabber!« Isaac schluckte. »Wir sind im Arsch.«
    Fünf Minuten, dachte er verzweifelt. Mehr brauchen wir gar nicht. Die verfluchten Falter können diesem Köder nicht widerstehen, sie sind schon unterwegs hierher, hättet ihr euch nicht ein bisschen mehr Zeit lassen können?
    Die Luftschiffe am Himmel wurden größer, man hörte das Brummen der Propeller.
    Die Miliz hatte den Fuß der Dachschräge erreicht. Die Soldaten begannen den Aufstieg, bewegten sich geduckt, nutzten die Deckung von Schornsteinen und Gauben. Isaac trat ein paar Schritte zurück, um sie nicht sehen zu müssen.
    Der Weber fuhr mit dem Zeigefinger durch die Regenwasserpfützen, zeichnete mit Linien aus trocken gedampftem Beton Muster und Bilder von Blumen, sprach wispernd vor sich hin. Andrejs Körper zuckte im Rhythmus der Energiestöße, seine Augen rollten wie die eines Irren.
    »Scheiße!« Isaac brüllte seine Frustration und Wut heraus.
    »Halt die Klappe und kämpfe!«, zischte Derkhan. Auf dem Bauch liegend, spähte sie vorsichtig über die Dachkante. Die bestens ausgebildeten Milizzer hatten sich bereits ein gutes Stück nach oben gearbeitet. Derkhan zielte und feuerte mit der linken Pistole.
    Der Schuss krachte, das Geräusch vom Regen gedämpft. Der vorderste Soldat, der bereits die Hälfte der Schräge erklommen hatte, wurde zurückgestoßen, als die Kugel gegen seinen Brustharnisch traf und als Querschläger in die Dunkelheit spritzte. Er taumelte einen Moment am Rand der Gaubenstufe. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, feuerte Derkhan die zweite Pistole ab.
    Das Visier des Mannes zerbarst in einem blutigen Splitterregen. Eine Fleischblume quoll aus seinem Hinterkopf. Für einen kurzen Moment war sein Gesicht zu sehen: Fassungslosigkeit, eingebettet in spiegelnde Glaszacken, gemasert von Blut aus einem Loch unterhalb des rechten Auges. Er schien sich rückwärts in die Luft zu schnellen, elegant wie ein Turmspringer, segelte in einem weiten Bogen nach unten und landete krachend am Fuß des Daches.
    Derkhan brüllte triumphierend. »Stirb, du Schwein!«, schrie sie. Sie duckte sich rasch außer Sicht, als ein Hagel von Kugeln über und unter ihr prasselnd in Backstein und Schiefer schlug.
    Isaac fiel neben ihr auf Hände und Knie und starrte sie an. Es war schwer zu sagen, wegen des Regens, aber ihm kam es vor, als ob sie weinte. Sie rollte von der Dachkante weg und begann ihre langläufigen Pistolen nachzuladen. Sie bemerkte Isaacs forschenden Blick.
    »Tu was! «, fuhr sie ihn an.
    Yagharek stand ein paar Schritt hinter der Dachkante und schaute alle paar Augenblicke nach unten; er wartete darauf, dass die Angreifer in Reichweite seiner Peitsche kamen. Isaac robbte nach vorn, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Die Milizzer kletterten unverdrossen weiter, vorsichtiger jetzt, aber trotzdem näherten sie sich entsetzlich schnell und unaufhaltsam.
    Isaac legte an und feuerte. Seine Kugel zerschmetterte etliche Dachziegel und behagelte den vordersten Milizzer dramatisch mit Schiefersplittern.
    »Gott schiet!« Er zog sich zurück, um nachzuladen.
    Die kalte Gewissheit der unvermeidlichen Niederlage ergriff von ihm Besitz. Die Feinde waren in der Übermacht und sie rückten zu schnell näher. Sobald die Soldaten sich über den Rand der Plattform schwangen, waren sie ihnen schutzlos ausgeliefert. Wenn der Weber ihnen zur Hilfe kam, verloren sie ihren Köder, und der Plan, die Gierfalter zu vernichten, war gescheitert. Vielleicht konnten sie einen, zwei oder drei der Angreifer mitnehmen, aber Rettung gab es für sie nicht.
    Andrej schnellte auf und ab und zerrte an seinen Fesseln. Die Nerven zwischen Isaacs Augen sangen, während die Fontäne aus Energie sich mit unverminderter Stärke in den Himmel bäumte. Die Luftschiffe kamen unaufhaltsam näher. Isaac presste die Lippen zusammen, schaute wieder nach unten. In der zerklüfteten Dachlandschaft sah man die Säufer und Penner aus ihren Verstecken kommen und davonhuschen wie aufgeschrecktes

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