Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
auch nicht. Er brachte den Teller zurück in die Küche, die inzwischen aufgeräumt war, doch Vater war nirgends zu finden, und so ging er zurück in sein Zimmer und wusste immer noch nicht, was er denken sollte.
    Eine Weile schaute er einfach nur aus dem Fenster. Unten am Tor standen mittlerweile drei breitschultrige Männer, und zwischen den Bäumen schimmerten die Dächer weißer Kombis hindurch, die auf der Straße vor dem Haus zu parken schienen, obwohl dort absolutes Halteverbot herrschte.
    Erst jetzt fiel Wolfgang auf, dass sein Herz raste, als habe er eine ganze Kanne starken Kaffees auf einmal getrunken – was er noch nie gemacht hatte, aber so stellte er es sich vor. Und seine Hände zitterten. Sie bebten so, dass nicht daran zu denken war, das Cello auch nur anzufassen. Der Gentest hatte alles unerwartet real werden lassen. Bis dahin war die ganze Geschichte bloß Theorie gewesen, ein dummes Spiel, unwirklich. Doch der trübsinnig-finstere Blick des Staatsanwalts und der sanfte Strich des Teststäbchens in seinem Mund hatten klargestellt, dass es eben kein Spiel war, sondern bitterer Ernst.
     
    Er versuchte, Cem anzurufen, aber zu Hause hob, wie immer, niemand ab, und als er es übers Handy probierte, landete er auf Cems Mailbox. Er redete irgendwas darauf, von Staatsanwalt und Gentest, und dann fiel ihm noch ein, die Codenummer zu nennen, die Cem brauchen würde, um die Sicherheitsschaltung in der Telefonanlage zu überwinden, wenn er zurückrief. Was er aber nicht tat. Wolfgang schlich um das Telefon herum, bis er das Gefühl hatte, dass sein Gehirn zu flattern anfing, doch es blieb stumm wie eine Stei n skulptur. Weil er nichts Besseres zu tun wusste, zog er schlie ß lich die Aufgaben des Mathematikwettbewerbs hervor und machte sich darüber her. Zumindest lenkte es ab. Als er, nach dem Vorbild einer älteren Aufgabe aus dem Buch, seinen ersten Beweis fand, war das beinahe toll. Zumindest war es besser, über irgendwelchen bedeutungslosen Zahlen und Buchstaben zu brüten als über der Frage, ob er am Ende w o möglich doch ein Klon war. Es war nur ein Gentest, sagte er sich. Es war ein Teststab, nichts weiter, jedenfalls kein Zauberstab, der mich in einen Klon verwandelt.
     
    Am späten Nachmittag hatte er zwei der Aufgaben gelöst und biss sich die Zähne an der dritten aus, die trügerisch einfach aussah und verteufelt schwer war. Wie auch immer er es anfing, er bekam sie nicht in den Griff. Immer, wenn er glaubte, den Dreh gefunden zu haben, entwischte sie ihm wieder, weil ein Term, den er gebraucht hätte, zu Null wurde oder sich herauskürzte oder sonst was. Wie konnte das sein? Die anderen beiden Aufgaben waren zwar schwer gewesen, aber letztlich lösbar. Doch die dritte schien ihn regelrecht zu verhöhnen.
     
    Als würde ich dümmer werden, dachte Wolfgang und sah der träge schwankenden Tanne vor seinem Fenster zu. Vielleicht war es doch ein genetischer Spätschaden. Er glaubte förmlich fühlen zu können, wie seine Geisteskräfte dahinschwanden. Ein Klon, ein dummer Klon. Klon, Clown, Klon. Was für ein blödes Wort.
    #
     

 
     
    Kapitel 9
     
    In den folgenden Tagen drehte Wolfgang fast durch, obwohl ihm seine Eltern unablässig versicherten, es werde nichts herauskommen bei diesem Gentest.
     
    »Diese Art von Test dauert einfach zwei bis drei Tage, das muss man abwarten«, erklärte Vater mehrmals.
    »Und herauskommen wird, dass wir miteinander verwandt sind – was wir schon wissen –, aber dass unser Erbmaterial nicht identisch ist – was wir auch schon wissen. Und alles wird sich in Wohlgefallen auflösen.« Einmal, am Samstagabend, fügte er knurrend hinzu: »Das ist sowieso ein sinnloser Test. Die Polizei hat einfach keine Ahnung von Genetik.«
    Wolfgang hörte das alles und verstand alles, aber tief in ihm war etwas, das nichts hörte und nichts verstand, sondern sich einfach nur fürchtete. Beim Essen bekam er kaum einen Bissen hinab, abends schlief er ewig nicht ein, und er brachte es nicht fertig, Cello zu üben. Ein paar Mal, zu den gewohnten Zeiten, baute er Ständer und Noten auf, nahm das Instrument und griff nach dem Bogen, doch dann kam es ihm so sinnlos vor, dass er alles wieder weglegte. Darüber kam es zu einem Streit mit seinen Eltern, die der Auffassung waren, so eine Lappalie wie das Stammtischgespräch von halb Europa zu sein rechtfertige nicht, das Üben zu vernachlässigen.
    »Gerade jetzt musst du an deinem normalen Leben festhalten«, erklärte ihm seine

Weitere Kostenlose Bücher