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Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Greene
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abends um neun, arbeitete bis zwei oder drei Uhr morgens und verschlief dann den größten Teil des darauffolgenden Tages. Neben der kühleren Luft hatte die Nachtarbeit auch noch andere Vorteile. Da sie sich nahezu allein im Studio befand, war es dort ziemlich ruhig, und sie konnte ernsthaft und voll konzentriert arbeiten. Die Ruhe erlaubte ihr, mit ihren Stücken zu experimentieren und Fehler zu machen, die keiner bemerkte. Sie konnte völlig unbekümmert arbeiten und auch einmal ein Risiko eingehen.
    Mit der Zeit beherrschte sie ihr neues Medium immer besser. Während sie ihre Skulpturen anfertigte, hatte sie das Gefühl, auch sich selbst zu formen und zu verändern. Sie wollte große und eindrucksvolle Kunstwerke schaffen, aber dafür musste sie eine eigene Methode entwickeln. Sie entwarf die Skulpturen zunächst auf dem Papier, schuf dann kleinere Teile, die sie selbständig anfertigen konnte, und setzte sie dann in ihrem Studio in aller Ruhe zusammen. Schon bald wurden ihre Stücke im Fakultätsgebäude und auf dem Universitätsgelände ausgestellt.
    So ziemlich jeder war beeindruckt von ihren Arbeiten. Im grellen Sonnenlicht Miamis vermittelten die enormen Skulpturen genau die Kraft, die sie schon immer in sich selbst verspürt hatte. Es gab jedoch auch noch eine andere, eher überraschende Reaktion auf ihre Werke. Da nur wenige sie bei der Arbeit gesehen hatten, entstand der Eindruck, die Skulpturen gingen ihr ganz mühelos von der Hand – als hätte sie eine ungewöhnliche Gabe. Die Bildhauerei war eine weitgehend männlich dominierte Kunstform und schien vor allem die Machos der Kunstszene anzuziehen. Da sie eine der wenigen Künstlerinnen war, die mit Stahl arbeiteten, wurden alle möglichen Vorurteile und Fantasien auf sie projiziert. Die Diskrepanz zwischen ihrem zierlichen, femininen Äußeren und den riesigen, imposanten Kunstwerken war eklatant. Die Leute fragten sich, wie sie es schaffte, solche Skulpturen herzustellen, und wer sie wirklich war. Fasziniert von ihrer Persönlichkeit und den wundervoll gearbeiteten Skulpturen, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen, entstand das Bild einer mysteriösen und verführerischen Künstlerin. Teresita Fernández war eine Ausnahmeerscheinung, die harte und zarte Elemente in sich vereinte und mit Metall zaubern konnte.
    Plötzlich stand sie unter genauer Beobachtung, und ihr wurde bewusst, dass sie keine Voyeurin mehr war. Jetzt beobachtete sie nicht mehr andere aus der Entfernung, sondern sie stand selbst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Kunstszene war ihre Welt. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl dazuzugehören und wollte, dass das Interesse an ihrer Kunst bestehen blieb. Mit dieser neuen Aufmerksamkeit, die sie in der Öffentlichkeit genoss, wäre es ganz natürlich gewesen, über sich selbst, ihre Arbeit und ihre künstlerischen Erfahrungen zu sprechen. Fernández war aber instinktiv klar, dass sie die beeindruckende Wirkung ihrer Kunst geschmälert hätte, wenn sie plötzlich jedermann eingestand, wie viele Stunden sie an diesen Skulpturen gearbeitet hatte und dass sie in Wirklichkeit das Ergebnis harter Arbeit und Disziplin waren. Unerklärliche Phänomene sind manchmal aussagekräftiger und wirkungsvoller, und so entschied sie sich, das Bild, das man von ihr und ihrer Arbeit hatte, aufrechtzuerhalten. Indem sie nie über ihre Arbeitsmethoden und ihr Privatleben sprach, ließ sie eine Aura des Geheimnisvollen um sich entstehen – jeder konnte seine eigenen Fantasien in sie hineinprojizieren.
    Im Laufe ihrer künstlerischen Laufbahn bemerkte sie jedoch, dass das Image, das sie sich während ihrer Zeit an der Universität geschaffen hatte, nicht mehr so recht zu ihr passte. Sie stellte fest, dass sich ein Teil des Eindrucks, der in der Öffentlichkeit von ihr entstanden war, auch nachteilig auswirken könnte. Sie musste aufpassen, dass nicht ein Bild entstand, das sich in erster Linie auf das Äußere einer attraktiven jungen Frau gründete. Man würde sie nicht als seriöse Künstlerin wahrnehmen, sondern ihre Zurückhaltung als fehlende Intelligenz auslegen. Es entstünde der Eindruck, sie arbeite nur aus dem Bauch heraus und ihre Kunst würde an die der kritischen Intellektuellen der Szene nicht heranreichen. Schon das kleinste Anzeichen, dass ihre Äußerungen nur so dahingesagt oder zusammenhangslos sein könnten, konnte die Vermutung nahelegen, ihre Kunst sei belanglos, sie würde nur ein bisschen herumspielen. Also

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