Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
seine Schrift geradezu apokalyptisch, und seine Argumentation verwandelte sich in eine Polemik.
Jetzt tauchten auch seine Gegner wieder aus der Versenkung auf. Semmelweis hatte sich zwar endlich dem Schreiben gewidmet, dabei aber sehr schlechte Arbeit geleistet. Seine Widersacher konnten seine Argumentation problemlos zerpflücken oder auch einfach nur den aggressiven Ton anprangern, der für sich allein schon vernichtend war. Seine ehemaligen Verbündeten, die ihn inzwischen hassten, kamen ihm nun nicht mehr zu Hilfe. Sein Auftreten wurde immer großspuriger und unberechenbarer, bis das Krankenhaus ihm schließlich kündigen musste. Völlig mittellos und von allen verlassen wurde er krank und starb 1865 im Alter von 47 Jahren.
B. Im Jahr 1602 kamen dem englischen Medizinstudenten William Harvey (1578–1657), der an der Universität von Padua in Italien studierte, plötzlich Zweifel an der allgemeinen Beschaffenheit des Herzens und seiner Funktion als Organ. Was man ihm in der Schule beigebracht hatte, basierte auf den Theorien des im 2. Jahrhundert wirkenden griechischen Arztes Galenos. Dieser ging davon aus, dass eine Hälfte des Bluts in der Leber und die andere im Herz produziert wurde. Danach wurde es durch die Venen abtransportiert und schließlich vom Körper, den es mit Nahrung versorgte, absorbiert. Nach Galenos Theorie floss das Blut sehr langsam aus der Leber und dem Herz in die Körperteile und wurde dort aufgebraucht – es floss nie zurück. Harvey irritierte die Menge an Blut in einem Körper. Wie war es möglich, dass so viel Flüssigkeit produziert und verbraucht wurde?
In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich Harveys berufliche Laufbahn prächtig und gipfelte schließlich in seiner Ernennung zum königlichen Leibarzt von König Jakob I. Während all dieser Jahre brütete er stets über das Blut und die Funktion des Herzens nach. 1618 hatte er dann endlich eine Theorie entwickelt: Das Blut fließt nicht langsam, sondern schnell durch den Körper, wobei das Herz als Pumpe fungiert. Das Blut wird nicht produziert und dann verbraucht, sondern zirkuliert permanent.
Das Problem mit dieser Theorie war, dass er keine direkten Möglichkeiten hatte, sie zu verifizieren. In der damaligen Zeit hätte das Öffnen eines menschlichen Herzens, um es zu untersuchen, den sofortigen Tod bedeutet. Die einzigen Methoden zur wissenschaftlichen Forschung waren Tierversuche und das Sezieren menschlicher Leichen. Sobald man jedoch das Herz eines Tieres öffnete, schlug es unregelmäßig und pumpte viel zu schnell. Die Mechanismen des Herzens waren komplex und nicht direkt zu beobachten. Harvey konnte sie sich also nur mit kontrollierten Experimenten (indem er beispielsweise besonders ausgeklügelte Venenstauer benutzte) herleiten.
Nach vielen solchen Experimenten war sich Harvey sicher, dass er recht hatte. Er wusste aber auch, dass er seinen nächsten strategischen Schritt gründlich planen musste. Seine Theorie war radikal und würde viele der seit Jahrhunderten anerkannten anatomischen Konzepte widerlegen. Eine direkte Veröffentlichung seiner Ergebnisse würde Anfeindungen nach sich ziehen und viele Gegner auf den Plan rufen. Nachdem er den natürlichen Widerwillen der Menschen, neue Ideen zu akzeptieren, abgewogen hatte, entschloss er sich zu folgendem Vorgehen: Er schob die Veröffentlichung seiner Entdeckungen auf und wartete zunächst einmal ab, bis er noch mehr Beweise gesammelt hätte, um seine Theorie besser zu untermauern. In der Zwischenzeit gewährte er seinen Kollegen Einblick in weitere Experimente und Sektionen, versäumte dabei aber nie, sie nach ihrer Meinung zu fragen. Viele waren beeindruckt und unterstützten seine Theorie. Nachdem er einen nach dem anderen überzeugt hatte, gab man ihm 1627 die höchste Position innerhalb des Royal College of Physicians . Damit war eine Anstellung für den Rest seines Lebens gesichert, und er musste sich keine Sorgen mehr machen, mit der Veröffentlichung seiner Theorie seine Lebengrundlage aufs Spiel zu setzen.
Als Leibarzt von Jakob und später dann Karl I., der den Thron 1625 bestieg, war Harvey immer sorgfältig darauf bedacht, sich die königliche Gunst zu sichern. Er spielte den Hofdiplomaten und vermied es tunlichst, sich in Intrigen verwickeln zu lassen oder sich einem bestimmten Lager anzuschließen. Sein Auftreten war bescheiden und voller Selbstironie. Dem König vertraute er seine Entdeckungen schon sehr früh an, um sich so dessen Vertrauen
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