Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
heran.
Zuschauer bei seinen Live-Auftritten in jener Zeit schwärmten von einer einzigartigen Erfahrung. Der Saxophonist Joe McPheebeschrieb: »Ich glaubte, die Emotionen würden mich umbringen … Ich dachte, ich würde an Ort und Stelle explodieren. Die Energie wurde immer intensiver und ich dachte, oh Gott, das halte ich nicht aus.« Die Zuschauer drehten durch, manche brachte die Intensität der Musik zum Schreien. Es schien, als übertrüge Coltrane seine eigenen tiefsten Gefühle mit der Musik aus seinem Saxophon und als könne er mit der Stimmung des Publikums spielen, wie er wollte. Kein anderer Jazzmusiker hatte eine derartige Wirkung auf sein Publikum.
Als Teil des Coltrane-Phänomens verbreitete sich jede Neuerung, die er in den Jazz einführte, sofort als neuester Trend – ausgedehnte Stücke, größere Gruppen, Tamburine und Glocken, östliche Klänge und vieles mehr. Der Mann, der 10 Jahre lang alle Formen von Musik und Jazz in sich aufgesogen hatte, war nun ein Trendsetter für andere. Coltranes kometenhafter Aufstieg fand 1967 ein abruptes Ende. Er starb mit 41 Jahren an Leberkrebs.
Zu Coltranes Lebzeiten stand Jazz vor allem für Individualität. Durch Musiker wie Charlie Parker wurde das Jazz-Solo zum zentralen Element jedes Stückes. Im Solo ertönte die einzigartige Stimme des Musikers. Aber was genau ist diese Stimme, die die Werke der Jazzgrößen prägt? Man kann sie nicht genau in Worte fassen. Die Musiker drücken etwas aus, das tief aus ihrem Inneren kommt, ihre psychische Verfassung, selbst Unterbewusstes. Die Stimme drückt sich in ihrem Stil aus, ihren typischen Rhythmen und Phrasen. Aber einfach man selbst zu sein und loszulassen reicht nicht, um sie erklingen zu lassen. Wenn man ein Instrument in die Hand nimmt und sofort versucht, diese Qualität zu erreichen, wird nur Lärm dabei herauskommen. Jazz, wie jede andere Musikform, ist eine Sprache mit Konventionen und Wortschatz. Und so entsteht das Paradoxon, dass jene, die uns vor allem durch ihre Individualität beeindrucken – allen voran John Coltrane – erst einmal eine ausgedehnte Ausbildungszeit durchlaufen. In Coltranes Fall gab es eine saubere Grenze: knapp zehn Jahre intensiver Ausbildung gefolgt von zehn Jahren der vielleicht erstaunlichsten kreativen Explosion der modernen Musik, bis zu seinem Tod.
Coltrane erwarb einen riesigen Wortschatz, indem er so viel Zeit damit verbrachte, Strukturen kennenzulernen, Techniken zu entwickeln und sich jede denkbare Spielweise anzueignen. Als all dies fest in seinem Nervensystem verankert war, konnte er sich auf Höheres konzentrieren. Immer schneller drückte er allen erlernten Techniken seinen persönlichen Stempel auf. Er experimentierte viel und probierte vieles aus, und so stieß er meist zufällig auf die musikalischen Gedanken, die zu ihm passten. Durch sein großes Wissen und seine Fertigkeiten konnte er Ideen und Stile auf einzigartige Weise kombinieren. Geduld und das Durchlaufen des Prozesses führten ganz selbstverständlich zu einem persönlichen Ausdruck. Er gab jedem Genre, in dem er arbeitete, seine persönliche Note, von Blues bis Broadway-Hits. In seiner eigenen Stimme – unsicher und eindringlich – drückte sich seine angeborene Einzigartigkeit aus, und er fand zu ihr durch einen ausgedehnten, organischen Prozess. Er brachte sein tiefstes Inneres und seine ursprünglichsten Emotionen zum Ausdruck und löste damit instinktive Reaktionen bei seinen Zuschauern aus.
Ungeduld behindert Kreativität mehr als alles andere, die fast unvermeidbare Sehnsucht danach, den Prozess zu beschleunigen, etwas auszudrücken und Aufsehen zu erregen. Oft vernachlässigt man dabei jedoch die Grundlagen, sodass der eigentliche Wortschatz fehlt. Was Sie in diesem Fall für kreativ und einzigartig halten, ist sehr wahrscheinlich nur eine Imitation des Stils eines anderen oder belanglose Phrasendrescherei. Aber Ihr Publikum lässt sich nicht zum Narren halten. Es fühlt die mangelnde Zielstrebigkeit, die Imitation, den Drang nach Aufmerksamkeit, und es wird sich von Ihnen abwenden oder Ihnen ein Minimum an Aufmerksamkeit schenken, die schnell verfliegt. Die Liebe zum Lernen selbst, wie bei Coltrane, ist der beste Weg. Jeder, der zehn Jahre damit verbringt, die Techniken und Konventionen seines Fachgebietes zu lernen, sie auszuprobieren und zu meistern, zu erforschen und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, wird unvermeidlich seine eigene Stimme finden und etwas Einzigartiges und
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