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Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Greene
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und dazu Ideen, wie sich die Grenzen des Möglichen hinausschieben ließen.
    In den ersten Jahren vergrub er sich förmlich in den Tiefen der Baustatik – hier waren enorme Kenntnisse in Mathematik und Physik zu erwerben. Als er weiter fortgeschritten war, fand er seltsamerweise wieder zurück zu dem Paradoxon seiner Jugend – wie ließen sich Bewegung und Wandel ausdrücken? Nach der goldenen Regel der Architektur mussten Gebäude stabil und standortgebunden sein. Calatravaverspürte das Verlangen, diese strenge Konvention aufzubrechen. In seiner Doktorarbeit wollte er untersuchen, ob sich nicht Architektur und Bewegung miteinander vereinbaren ließen. Angeregt von den Entwürfen der NASA für Reisen im Weltraum und von den von Leonardo da Vinci entworfenen Vogelflügeln wählte er die Faltbarkeit von Strukturen zum Thema seiner Dissertation: Wie ließ sich die Statik so weiterentwickeln, dass bewegliche und veränderbare Strukturen möglich wurden?
    Er schloss die Arbeit 1981 ab und trat endlich in die Arbeitswelt ein – nach einer 14-jährigen universitären Lehrzeit in Kunst, Architektur und Bauingenieurwesen. In den folgenden Jahren experimentiert er mit neuartigen faltbaren Türen und Dächern, die sich bewegen und öffnen ließen, wobei das Gebäude seine Form veränderte. Für Buenos Aires entwarf er eine bewegliche Brücke, die zur Seite schwingt anstatt nach oben. Bei seinem Erweiterungsbau für das Milwaukee Art Museum ging er noch einen Schritt weiter. Dieser bestand aus einer langen und 25 Meter hohen Eingangshalle aus Glas und Stahl – alles beschattet von einem riesigen Sonnensegel in Form zweier gerippter, scheinbar flexibler Paneele, die sich wie die Flügel einer Möve öffnen und schließen ließen und das Gebäude in Bewegung versetzten – als würde es sich in die Lüfte erheben.

    Wir Menschen leben in zweierlei Welten. Die erste ist die äußere Welt des Augenscheins – alle Formen der Dinge, die unsere Augen einfangen. Vor unseren Blicken verborgen existiert aber eine weitere Welt – wie diese Dinge in Wirklichkeit funktionieren, ihre Anatomie oder Zusammensetzung, die Teile, die das Ganze ausmachen. Diese zweite Welt fesselt uns nicht so unmittelbar. Sie ist schwieriger zu verstehen. Sie ist nicht für das Auge sichtbar, sondern nur für den Verstand, der in die Wirklichkeit eindringt. Wenn wir es aber erst einmal verstehen, dann ist dieses »Wie« der Dinge ebenso poetisch – es birgt in sich das Geheimnis des Lebens, das Geheimnis, wie die Dinge sich bewegen und wandeln.
    Die Kluft zwischen dem »Wie« und dem »Was« betrifft praktisch alles, was uns umgibt – wir sehen zwar die Maschine, aber nicht, wie sie funktioniert; wir sehen eine Gruppe Menschen, die mit einer Firma etwas produzieren, sehen aber nicht, wie die Gruppe strukturiert ist oder die Produkte hergestellt und vertrieben werden. (Ganz analog lassen wir uns vom Äußeren anderer Menschen fesseln, aber nicht vom psychologischen Hintergrund dessen, was sie tun oder sagen.) Calatravaentdeckte, dass er die Kluft zwischen dem »Wie« und dem »Was« überwinden musste; so gewann er ein ungleich tieferes Verständnis für sein Tätigkeitsfeld. Er bekam einen größeren Teil der Wirklichkeit zu fassen, die in das Erstellen von Gebäuden hineinspielt. So konnte er unendlich poetischere Dinge erschaffen, die Grenzen verschieben und die Konventionen der Architektur als Ganzes aufbrechen.
    Wohlgemerkt: Wir müssen mit dieser unerfreulichen Kluft leben, die sich vor etwa 500 Jahren mit der Trennung von Kunst und Wissenschaft vollzog. Wissenschaftler und Techniker leben seither in ihrer eigenen Welt und beschäftigen sich hauptsächlich mit dem »Wie«. Andere leben in der Welt der äußeren Erscheinungen, benutzen Dinge, aber verstehen nicht, wie diese funktionieren. Noch kurz vor dieser Spaltung galt es in der Renaissance als Ideal, diese beiden Wissensbereiche in sich zu vereinen. Deshalb fesselt uns das Werk Leonardo da Vincis bis heute, und deshalb bleibt die Renaissance als Idealbild. Ein derart abgerundetes Wissen wird uns die Zukunft weisen, gerade heute, wo wir über so viel mehr Informationen verfügen. Calatrava spürte, das dies Teil unserer Ausbildung sein sollte. Wir müssen uns so intensiv wie möglich mit der Technik auseinandersetzen, die wir nutzen, mit dem Zusammenspiel der Gruppe, in der wir arbeiten, mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen in unserem Tätigkeitsfeld – seinem Lebenselixier. Und immer wieder

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