Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
mit der des jungen Guerrero, und seine Anschlagtechnik war so außergewöhnlich und beeindruckend, dass er Guerreros Übungen ganz offensichtlich Jahre lang praktiziert haben musste. In Interviews sprach Gould davon, wie wichtig es war, sich mit Musikstücken zunächst auf dem Papier auseinanderzusetzen, bevor man sie spielte. Dabei tat er so, als ob diese Idee von ihm stammte. Das Bemerkenswerteste aber war, dass Gould bestimmte Kompositionen genau so spielte, wie Guerrero sie sich im Geiste immer vorgestellt hatte. Goulds Vortrag war jedoch so stilvoll und ausdrucksstark, dass Guerrero ihm nie das Wasser hätte reichen können. Es war, als hätte sein früherer Schützling das Wesentliche seines Stils verinnerlicht und dann in etwas noch Großartigeres transformiert.
Glenn Gould war sich schon als Kind seines großen Dilemmas bewusst. Er hatte ein einzigartiges Gehör und war für Musik so empfänglich, dass er jede Nuance eines anderen Pianisten nach nur einmaligem Hören nachahmen konnte. Gleichzeitig wusste er aber auch, dass er ein ganz besonderer junger Mann mit einem extrem ausgeprägten eigenen Geschmack war. Er hatte den großen Ehrgeiz, zu einem Ausnahmekünstler zu werden. Würde er seinen Lehrern und anderen Pianisten zu genau zuhören und deren Ideen und stilistische Eigenheiten übernehmen, so ginge seine eigene Identität mit der Zeit verloren. Dennoch benötigte er das Wissen und die Anleitung eines Mentors. In seinem Verhältnis zu Alberto Guerrero, einem sehr charismatischen Lehrer, kam dieses Dilemma ganz besonders zum Tragen. Es kann auch ein Fluch sein, bei jemandem zu lernen, der derart kunstfertig und brillant ist. Im verzweifelten Kampf, all die großartigen Ideen des Mentors umzusetzen, wird das eigene Selbstvertrauen oft schwer beschädigt. Viele Pianisten verschwinden im Schatten ihrer berühmten Lehrer und schaffen es nie selbst ins Rampenlicht.
Da Gould aber besonders ehrgeizig war, fand er auch die einzig wahre Lösung für sein Dilemma. Er hörte sich alles an, was Guerrero über Musik zu sagen hatte, und experimentierte dann mit dessen Ideen, die er während des Spielens leicht veränderte, so dass sie seinen eigenen Vorstellungen besser entsprachen. Auf diese Weise hatte er das Gefühl, eine eigene Ausdrucksform gefunden zu haben. Mit den Jahren betonte er die Unterschiede zwischen sich selbst und seinem Lehrer immer deutlicher. Aufgrund seiner unglaublichen Aufnahmefähigkeit hatte er im Laufe seiner Ausbildung die wichtigsten Ideen seines Mentors unbewusst verinnerlicht. Sein anhaltendes Bemühen ermöglichte es ihm jedoch auch, diese Ideen seiner eigenen Persönlichkeit anzupassen. So konnte er gleichzeitig lernen und jenen kreativen Geist entwickeln, der ihn später, nachdem er Guerrero verlassen hatte, so einzigartig machte.
Als Schüler befinden wir uns alle in einem solchen Dilemma. Um von unseren Mentoren zu lernen, müssen wir ihren Ideen gegenüber völlig offen und aufnahmebereit sein. Wir müssen uns in ihren Bannkreis begeben. Gehen wir dabei jedoch zu weit, werden wir durch ihren Einfluss so stark geprägt, dass kein Freiraum mehr bleibt, um unsere eigene Ausdrucksform zu finden und weiterzuentwickeln – wir bleiben unser Leben lang Ideen verhaftet, die nicht unsere eigenen sind. Am Beispiel von Gould sieht man jedoch, dass die Lösung ganz einfach ist: Während wir den Ideen unserer Mentoren lauschen und sie verinnerlichen, müssen wir gleichzeitig auch eine gewisse Distanz zu ihnen wahren. Wir beginnen damit, ihre Ideen ganz vorsichtig an unsere eigene Situation anzupassen und verändern sie so, dass sie unserem eigenen Stil und unseren Neigungen gerecht werden. Während wir immer größere Fortschritte machen, können wir auch mutiger werden und uns mit den Schwächen und Mängeln in den Ansichten unserer Mentoren befassen. Auf diese Weise transformieren wir das Wissen unserer Mentoren so, dass es zu unserem eigenen wird. Sobald unser Selbstvertrauen groß genug ist und wir in Erwägung ziehen, den Schritt in die Unabhängigkeit zu tun, können wir mit einem Mentor, den wir einmal verehrt haben, sogar in Konkurrenz treten. Denn wie schon Leonardo da Vinci sagte: »Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft.«
4. Sorgen Sie für eine dynamische Wechselbeziehung
Im Jahr 1978 reiste ein vielversprechender Leichtgewichtboxer namens Freddie Roach mit seinem Vater nach Las Vegas. Er war auf der Suche nach einem Trainer, der ihn weiterbringen würde.
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