Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
In ganz London suchte er verzweifelt nach einem Repräsentanten des Gouverneurs, dem er die Vereinbarung, die er mit diesem getroffen hatte, erklären könnte. Auf seiner Suche begegnete ihm ein reicher Kaufmann aus Philadelphia. Er hörte sich Franklins Geschichte an und sagte ihm die Wahrheit: Gouverneur Keith war ein stadtbekannter Schwätzer, der jedem alles versprach und versuchte, mit seiner Macht Eindruck zu schinden. Seine Begeisterung für unternehmerische Pläne dauerte nur selten länger als eine Woche. Geld, das er verleihen könnte, hatte er nicht, und charakterlich war er nicht mehr wert als seine Versprechen.
Franklin musste diese Neuigkeiten erst einmal verdauen. Dann dachte er über seine aktuelle Zwangslage nach. Die prekäre Situation, in der er sich jetzt befand – allein, ohne Geld und weit weg von zu Hause – war nicht sein größtes Problem. Für einen jungen Mann gab es schließlich keinen aufregenderen Ort als London. Irgendwie würde er sich schon durchschlagen. Nein, am meisten quälte ihn, dass er so unsäglich naiv gewesen war und Keith völlig falsch eingeschätzt hatte.
Glücklicherweise gab es in London Druckereien wie Sand am Meer, und innerhalb von wenigen Wochen fand er eine neue Anstellung. Um über das Fiasko mit Keith hinwegzukommen, stürzte er sich in die neue Arbeit und konnte seinen Arbeitgeber schnell mit seinen redaktionellen Fähigkeiten und seinem Geschick im Umgang mit den unterschiedlichsten Maschinen beindrucken. Auch mit seinen Kollegen kam er ganz gut zurecht, machte aber schon bald die Bekanntschaft eines recht befremdlichen britischen Brauchs: Fünf Mal am Tag machten seine Druckerkollegen eine Pause, um ein Glas Bier zu trinken. Sie behaupteten, das stärke sie für die Arbeit. Von Franklin wurde erwartet, dass er jede Woche in eine gemeinsame Bierkasse einzahlte. Da er selbst während der Arbeitszeit aber nicht gerne trank und er sein hartverdientes Geld auch nicht für den gesundheitlichen Ruin anderer ausgeben wollte, weigerte er sich. Seinen Kollegen erklärte er ganz ehrlich seine Prinzipien, und seine Entscheidung wurde auch höflich akzeptiert.
In den darauffolgenden Wochen geschahen jedoch merkwürdige Dinge: In Texten, die er schon redigiert hatte, tauchten plötzlich wieder Fehler auf, fast jeden Tag lief irgendetwas schief, für das man ihn verantwortlich machte. Er hatte das Gefühl, langsam verrückt zu werden. Wenn das so weiterging, würde man ihn entlassen. Ganz offensichtlich sabotierte irgendjemand seine Arbeit. Sobald er sich aber bei seinen Kollegen darüber beschwerte, schrieben sie alles einem bösartigen Geist zu, der angeblich dort herumspuke.
Nach diesen Vorfällen und noch anderen Unannehmlichkeiten, die ihm in London begegnet waren, machte sich Franklinernsthafte Gedanken über sich selbst. Scheinbar war er hoffnungslos naiv und schätzte die Absichten seiner Mitmenschen völlig falsch ein. Während er über sein Problem nachdachte, fiel ihm auf, wie widersprüchlich das alles war: Ging es um seine Arbeit, war er äußerst rational und realistisch, ständig darauf bedacht, sich zu verbessern. Auch beim Schreiben kannte er seine Schwächen und arbeitete hart daran, sie zu überwinden. Im Umgang mit Menschen war aber ganz offensichtlich das Gegenteil der Fall: Ständig ließ er sich von seinen Gefühlen leiten und verlor dabei jeglichen Sinn für die Realität. Als er seinen Bruder wissen ließ, dass er der Verfasser der Briefe war, wollte er ihn beeindrucken. Dabei bedachte er aber nicht den Neid und die Missgunst, die dieses Geständnis auslösen würde. In der Sache mit Keith war er so absorbiert von seinen Träumen, dass er die deutlichen Anzeichen dafür, dass der Mann ein Schwätzer war, überhaupt nicht bemerkte. Und bei den Druckern machte ihn schließlich sein Ärger so blind, dass er nicht erkannte, dass man ihm seinen Versuch, Änderungen herbeizuführen, selbstverständlich übelnehmen würde. Das Allerschlimmste war jedoch, dass er unfähig schien, dieses ichbezogene Verhalten abzulegen.
Fest entschlossen, dieses Muster zu durchbrechen und seinen Umgang mit Menschen zu verändern, gab es für ihn nur eine Lösung: In all seinen zukünftigen Beziehungen würde er sich zunächst zu einer gewissen Zurückhaltung zwingen und sich auf keinen Fall zu Gefühlen hinreißen lassen. Aus dieser distanzierten Position heraus würde er sich dann nur auf sein Gegenüber konzentrieren und seine eigenen Unsicherheiten und Wünsche
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