Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
sie jedoch bei den meisten von uns sehr schlecht ausgebildet. Der Grund dafür ist in unserer Kindheit zu suchen, in der extrem langen Zeit, in der wir von anderen abhängig sind.
Im Vergleich zu den Tieren sind wir Menschen bei unserer Geburt ausgesprochen schwach und hilflos. Bevor wir in der Lage sind, wirklich selbstständig zu handeln, bleiben wir viele Jahre lang weitgehend abhängig. Diese ungefähr zwölf bis achtzehn Jahre andauernde Phase der Unreife hat eine sehr wertvolle Funktion: Wir können uns ganz auf die Entwicklung unseres Gehirns konzentrieren, die sicherlich wertvollste Waffe der Menschheit. Für die lange Phase der Kindheit bezahlen wir jedoch einen Preis. Solange wir schwach und abhängig sind, lernen wir, unsere Eltern zu idealisieren. Von der Stärke und Zuverlässigkeit der Eltern hängt unser Überleben ab. Gingen wir davon aus, dass auch sie ihre Schwächen haben, würde uns das mit einer unerträglichen Angst erfüllen. Wir halten sie daher zwangsläufig für stärker, fähiger und selbstloser, als sie es in Wirklichkeit sind. Da wir die Handlungen unserer Eltern immer nur in Bezug auf unsere eigenen Bedürfnisse sehen, werden sie in gewisser Weise zu unserem verlängerten Arm.
Während der langen Zeit der Unreife übertragen wir diese idealisierte und verzerrte Wahrnehmung oft auch auf Lehrer oder Freunde. Wir projizieren das, was wir in ihnen sehen wollen oder müssen, in sie hinein. Die Art und Weise, wie wir andere wahrnehmen, ist während unserer Kindheit mit den unterschiedlichsten Emotionen belegt: Verehrung, Bewunderung, Liebe, Abhängigkeit, Wut. Später dann, meist in der Pubertät, bemerken wir zwangsläufig, dass die meisten Menschen, einschließlich unserer Eltern, auch Eigenschaften besitzen, die nicht ganz so nobel sind. Wir ärgern uns über die Diskrepanz zwischen unseren Vorstellungen und der Realität. Auf die gleiche Weise, wie wir zuvor positive Eigenschaften überhöht haben, neigen wir in unserer Enttäuschung dazu, die negativen Eigenschaften zu übertreiben. Wären wir schon früher in unserem Leben dazu gezwungen gewesen, uns alleine durchzuschlagen, dann hätten eher praktische Bedürfnisse unser Denken beeinflusst. Wir wären distanzierter und realistischer. Da wir unsere Mitmenschen aber immer nur durch den Filter der eigenen Bedürfnisse wahrgenommen haben, ist uns dies zu einer Gewohnheit geworden, die wir nur schwer kontrollieren können.
Ich nenne das die Naive Perspektive . Aufgrund unserer langen Kindheit ist diese Sichtweise zwar ganz natürlich, gleichzeitig aber auch gefährlich. Sie hält uns in einer kindlichen Illusion gefangen, die unsere Wahrnehmung von anderen Menschen verzerrt. Diese gestörte Perspektive nehmen wir dann mit in die Welt der Erwachsenen und in unsere Ausbildungsphase. Sobald wir uns in der Arbeitswelt befinden, gelten jedoch andere Regeln. Es wird nicht mehr um gute Noten oder soziale Anerkennung gekämpft, sondern ums Überleben. Viele Menschen offenbaren, wenn sie unter einem solchen Druck stehen, plötzlich Charaktereigenschaften, die sie normalerweise zu verstecken suchen. Sie manipulieren, bekämpfen sich gegenseitig und denken immer zuerst an sich selbst. Dieses Verhalten schockiert uns, und aufgewühlt, wie wir sind, verbarrikadieren wir uns erst recht hinter der Naiven Perspektive.
Die arglose Sichtweise macht uns jedoch sensibel und verletzlich. Indem wir uns in uns selbst zurückziehen und zu begreifen versuchen, in welcher Form uns die Worte und Handlungen anderer Menschen betreffen, interpretieren wir die eigentlichen Absichten unserer Mitmenschen kontinuierlich falsch. Wir haben kein Gespür dafür, was sie wirklich denken und was sie antreibt. Die Gründe für den Neid und die Manipulationen unserer Arbeitskollegen bleiben uns verborgen, und so basieren unsere Versuche, Einfluss auf sie zu nehmen, auf der naiven Annahme, dass sie dieselben Ziele verfolgen wie wir. Auch auf Mentoren oder Vorgesetzte projizieren wir diese kindlichen Illusionen und reagieren daher auf Autoritätspersonen oft mit einer völlig unnötigen Verehrung oder Verängstigung. Das kann dazu führen, dass unsere Beziehung zu ihnen später entweder sehr problematisch oder auch kühl werden kann. Wir denken, wir verstehen unsere Mitmenschen, in Wirklichkeit nehmen wir sie aber nur verzerrt wahr. In diesem Stadium sind all unsere empathischen Fähigkeiten nutzlos geworden.
Die Fehler, die wir dann zwangsweise machen, verstricken uns in
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