Performer, Styler, Egoisten
Nussbaum 2012).
Aber es geht Nussbaum nicht nur um die Kritik der Bildungsinhalte in einem allein auf Profit und Wirtschaftswachstum gerichteten Bildungssystem, es geht ihr auch darum, in welcher Form diese Inhalte vermittelt werden. Und hier bricht sie eine Lanze für das „aktive Lernen“ (ebd.: 139), das sie sich in der Form der „sokratischen Pädagogik“ vorstellt. Die „sokratische Pädagogik“ stellt die Fähigkeit des Argumentierens in den Mittelpunkt der Bildung, genau wie es Sokrates in den platonischen Dialogen und Gesprächen mit seinen Schülern zeigt. Den Schülern wird nicht unhinterfragbares Wissen vorgesetzt, das diese zu lernen und später mechanisch wiederzugeben haben. Bei Sokrates lernen die Schüler im Gespräch, indem sie versuchen, für diskursiv aufgeworfene Fragen und Problemstellungen Antworten und Lösungen zu finden. Und es ist durchaus erwünscht, dass sie sich auch kritisch zu den Auffassungen und Positionen des Lehrers Sokrates äußern und am Ende aufgrund eigenständiger geistiger Anstrengung zur Erkenntnis gelangen. Was Sokrates den Schülern beibringt, ist analytisches Denken und das Argumentieren der durch dieses Denken gewonnenen Erkenntnisse. Damit steht die „sokratische Pädagogik“ im diametralen Gegensatz zu PISA-Pädagogik und Zentralmatura/abitur, die nicht die freie Entfaltung des Individuums und dessen umfassende Bildung fördern, sondern auf die Erzeugung von landesweit einheitlichem „Humankapital“ ausgerichtet sind, dessen Güte in standardisierten Testverfahren kontrolliert wird.
Die Bildung wird heute systematisch den Interessen der Wirtschaft untergeordnet. Den Menschen wird vermittelt, dass es dazu keine Alternative gibt. Eine humanistische Pädagogik hätte die Aufgabe, den jungen Menschen aufzuzeigen, dass diese Argumentationen lediglich die Interessen einer bestimmten Gruppe der Gesellschaft, der Reichen und Mächtigen, widerspiegeln. Darüber hinaus käme ihr die Aufgabe zu, das Denken wieder frei zu machen für alternative Lebensentwürfe und Politikkonzeptionen. Widerstand ist angesagt gegen die sich ausbreitende geistige Monokultur und bildungspolitische Uniformität, die nun auch noch dadurch auf die Spitze getrieben werden sollen, dass Kinder und Jugendliche obligatorisch in ganztägige Zwangsanstalten eingewiesen werden. Sollte dieses System kommen, dann wird die Zeit für die Selbstbildung außerhalb der Institutionen ebenso auf ein Minimum reduziert werden wie die für die Persönlichkeitsentwicklung wichtige selbsttätige Aneignung des sozioökologischen Nahraums ohne pädagogische oder Elternkontrolle.
Schule und Universitäten haben die Aufgaben, mündige BürgerInnen zu erziehen, die es schaffen, „sich ihres Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ (Kant 1999: 20), die zur Empathie gegenüber Menschen aus anderen Kulturen und sozial schwachen und benachteiligten Menschen fähig sind und die widersprechen und Widerstand leisten, wenn sie erkennen, dass Menschenrechte und Demokratie mit Füßen getreten werden. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948 orientiert sich an einem solchen „emanzipatorischen“ Bildungsideal. Man liest dort: „Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen.“ Davon, dass Bildung in erster Linie für die Profitinteressen der Wirtschaft brauchbares Humankapital hervorbringen soll, ist dort nichts zu lesen.
Keine Mission, keine Vision, keine Revolution?
Die postmoderne Jugend zwischen Pragmatismus und Idealismus
„Die Jugend gibt es nicht“, das ist wohl eine soziologische Binsenweisheit, dennoch muss sie immer wieder ausgesprochen werden, da nach wie vor in den Medien, aber auch in sozialwissenschaftlichen Forschungsberichten, ein Jugendbild vermittelt wird, das Homogenität suggeriert, wo doch in Wirklichkeit kulturelle Differenzen und soziale Widersprüche die Jugend in ungleiche, wenn nicht sogar antagonistische Teilgruppen scheiden.
Vor allem eine weitgehend theorielos arbeitende quantitativ-empirische Sozialforschung, die glaubt, die Rätsel der sozialen Welt ließen sich durch die Anwendung von simplen Rechenoperationen lösen, aggregiert ohne Sinn und Verstand Daten und produziert Artefakte am laufenden
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