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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Geistesabwesend schob er die Garnelen und Lammwürstchen auf dem Grill hin und her. In seiner Daunenjacke sah er aus, als machte er Reklame für Vollgummireifen. Mona hing an Arthurs Lippen. Sie trug eine Russenmütze aus Kaninchenfell, stilecht mit Hammer und Zirkel, wie man sie sonntags für zehn Mark Unter den Linden kaufen kann. Sie hauchte unablässig in ihre Hände. Ab und zu lachte sie. Sie nickte, sagte ein paar Worte, die uns aber nicht erreichten. So wie die beiden hatten wir nie zusammen gesprochen. Nie hatte sie in einem Gespräch mit mir diesen Ausdruck gehabt. Seit wir Perlensamt kannten, war sowieso alles anders geworden. Jetzt fand ich sie so ausgelassen und befreit wie lange nicht mehr. Einen Augenblick lang dachte ich daran, hinauszugehen und ihr mein Jackett um die Schultern zu legen. Aber dann unterließ ich es. Sollte doch Arthur dafür sorgen, daß sie nicht fror.
    Auch an diesem Abend beschäftigte mich Perlensamt. Als ich Mona draußen stehen sah, vermißte ich ihn. Aber das Wissen um seine Familie machte mich befangen. Es gab so viele Ungereimtheiten in seinen Erzählungen. Ich hätte ihm das sagen müssen, aber ich wollte nicht mit ihm streiten. Und dann war da noch diese unerklärliche Ahnung. Es war sicher nicht nur Freundschaft, die mich veranlaßte, das, was ich für Davids Familiengeschichte hielt, so intensiv zu recherchieren.
    Wie hätte Perlensamt sich wohl in dieser Runde gebärdet, angesichts der »Nachfolger« seines Großvaters im Auswärtigen Amt? Auf dem Heimweg fragte ich Mona danach. Sie reagierte ungehalten.
    »Es gibt für dich wirklich nur noch ein einziges Thema. Du nimmst deine Umwelt überhaupt nicht mehr wahr.«
    »Das stimmt nicht. Ich war wirklich beeindruckt von der Einrichtung des Hauses, die Kaspars Frau …«
    »Du meinst, du warst beeindruckt von dieser überspannten Schickse. Du scheinst ein Faible für Menschen zu haben, die viel Wind von sich machen.«
    »Ach, und dieser Arthur?«
    »Er ist seit vier Jahren deutscher Botschafter in Kigali!«
    »Er wird woanders nicht gebraucht.«
    Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Was Arthur über Ruanda erzählte, war wirklich interessant. Die Landschaft muß wundervoll sein, es leben Berggorillas dort …«
    »Dann ist er ja in bester Gesellschaft.«
    »… und es gibt eine einzigartige Flora. Er weiß viel über das Land. Er erzählt spannend, sehr engagiert. Er hat sich richtig da reingekniet.«
    »Ganz besonders hat er sich vor dich gekniet.«
    »Wie redest du eigentlich mit mir?«
    »Was hast du gegen David?«
    »Nichts«, sagte sie kalt. Der Ton war untypisch für sie. Ichwar verwirrt.

SECHZEHN
    Monas Sticheleien hatten zur Folge, daß wir uns voneinander zurückzogen. Wir sagten uns gerade noch Guten Tag und Auf Wiedersehen. Wortlos schoben wir uns die Anfragen zu.
    Und dann schlug David vor, ans Meer zu fahren. Ich erwähnte nichts von meinen Recherchen. Auch David kam eine Weile nicht mehr auf seine Familie zu sprechen.
    Als wir über die Promenade von Ahlbeck liefen, fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt. Der Strand von Coney Island mit seinem Rummel und den schäbigen Buden hatte zwar nichts mit den frisch polierten Seebädern der Ostseeküste gemein. Aber der Salzgeruch, das Geschrei der Möwen, die Geräusche der Brandung reichten aus, um die frühen Zeiten zu beleben. Ich fühlte mich wieder wie als Kind. Das Meer, der Horizont, der Strand, lange vergessene Szenen, und plötzlich war das Heimweh da. Was tat ich in Deutschland? Ich mußte zurück nach New York. Mein Zuhause war dort.
    Wir liefen die in die Dünen gebetteten Planken zum Strand hinab. Ich war glücklich. Leicht und unbeschwert wie zu der Zeit, als ich mit einem Freund kurz nach dem Examen am Strand von Coney Island entlang gelaufen war.
    Windige Regenschauer begleiteten uns an diesem Nachmittag in Ahlbeck. Die Wolken hingen wie geschlagene Sahne über der frisch getünchten Szenerie von 1900, bis das Licht in die Dämmerung knickte und einen melancholischen Schatten über den leeren Strand und die Promenade warf. Es schien, als seien wir die einzigen Gäste im Ort. Nach einem langen Spaziergang kehrten wir zurück und verabredeten uns für eine halbe Stunde später zum Essen.
    Im Hotel logierten außer uns nur ein sehr verliebtes Paar und eine ältere Dame mit Nichte oder Enkelin. Das Personal schien froh, für die wenigen Gäste die Treppen hinauf- und hinunter zu laufen. Es herrschte eine fast familiäre Stimmung. Ich duschte. Dann

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