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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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war, daß ich mich trotz dieses Theaters auf merkwürdige Weise zu ihm hingezogen fühlte. Das einzig Vernünftige wäre gewesen, auf der Stelle meine Tasche zu packen und diesen Irren sich selbst zu überlassen. David trat ein paar Schritte auf mich zu und berührte mich leicht an der Schulter. Ich weiß nicht, was in mich fuhr. Im nachhinein erscheint es mir ungeheuerlich. Anstatt auf Abstand zu gehen, legte ich meinen Kopf an seine Schulter. Eine Weile standen wir so da, ohne daß irgend etwas geschah.
    »Hey, kann ich etwas für dich tun?«
    In diesem Moment, für den Bruchteil eines Augenblicks, wäre ich beinahe in Davids Arme gesunken. Es fehlte nicht viel. Es fehlte nur ein bißchen Gewissenlosigkeit. Mein ganzer Körper schmerzte, und ich konzentrierte mich darauf, nicht aufzuschluchzen. Dann nämlich hätte das Andere in mir gewonnen. David ersparte mir nichts. Er fuhr durch meine Haare und drückte meinen Kopf leicht an sich. Mit einem Ruck löste ich mich.
    »Martin.«
    Ich versuchte zu lächeln.
    »Entschuldige, mir war irgendwie übel geworden. Laß uns runter gehen.«
    Wir setzten uns an die Bar. Ich bestellte einen trockenen Martini, David einen Manhattan. Als der erste Schluck meine Kehle herunterlief, nahm ich mir vor, zurück in Berlin nach einer besseren Photographie von Otto Abetz Ausschau zu halten. Vielleicht konnte ich mit großer Vorsicht etwas für David tun, ihm wie nebenbei vermitteln, daß jeder Mensch einzigartig ist und seine Ähnlichkeit mit dem Großvater für einen Außenstehenden gar nicht erkennbar war.

SIEBZEHN
    Am nächsten Morgen wurde ich vom Rauschen des Meeres geweckt. Die Brandung hatte mich in der Nacht in tiefen Schlaf fallen lassen und wieder daraus hervorgezogen. Ich bestellte das Frühstück und eine Zeitung und stand im Bademantel an der Fenstertür. Langsam stieg die heftige Auseinandersetzung des vergangenen Abends in mein Bewußtsein. Für einen Moment drängte ich den Gedanken daran zurück und sah auf das Meer. Die Wellen schoben sich gleichmäßig in nicht allzu hohen Kämmen über den Sand. Vor dem Hintergrund der Welt, der wir tags zuvor den Rücken gekehrt hatten, erinnerte das leere Sandland jetzt an eine vergessene Erzählung. Einzelne Personen in einem lichten Raum, Bewegungen, deren Absicht man nicht erkennen kann … Schemen … Im Sommer würde nach dem durchbrechenden Morgen minutenschnell die Gegenwart von Liegestühlen, Sonnenschirmen und Müll diese Legende tilgen. Der Geruch nach Sonnenöl, fettigen Pommes, das Babygeschrei, die lautstarke Suche nach verlorenen Gegenständen und verloren gegangenen Kindern täten ihr übriges, den frühmorgendlichen Augenblick als sentimentale Sehnsucht zu entlarven. Ausgelöst wodurch? Eine Zeitungsnotiz aus einem Revolverblatt, dessen Versatzstücke sich in der Morgenandacht des Strandes verfangen hatten? Ich wollte noch ein bißchen an dieser Stelle bleiben. Die Jahreszeit bot mir Schutz vor allzu viel Gegenwart. Eine leichte Brise, würzig riechend nach Tang und Salz, kam auf, während ich auf dem Austritt stand und träumte.
    Es klopfte an der Zimmertür. Man brachte Zeitung und Frühstück. Während ich meinen Kaffee im Bett trank, versuchte ich einzelne Artikel zu lesen, unterließ es aber bald. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Der vergangene Abend drängte sich vor. Es gelang mir nicht länger, den Eklat beiseite zu schieben. Wir hatten in Übereinkunft unsere Drinks genommen. Dann gingen wir zu Tisch. Die Suppe mit Hechtklößchen ließ David noch friedlich über die Zunge gleiten. Aber noch vor dem Hauptgericht fing er an. Aus heiterem Himmel kam er auf Mona zu sprechen.
    »Sie sagt, du seist schwul.«
    »Ach ja? Das haben schon viele behauptet. Vielleicht habe ich da auch noch ein Wort mitzusprechen.«
    Warum tat er das? Er war dabei, einen wunderbaren Nachmittag zu zerstören und den Auftakt eines geruhsamen Abends. Ich suchte nach etwas, das Davids aggressiven Tonfall mildern konnte.
    »Frauen sind manchmal seltsam. Ich verstehe nicht viel von ihnen.«
    »Na, dann wundert es mich nicht, daß du nicht gemerkt hast, wie verliebt sie in dich ist. Sie war ja regelrecht bissig, als ich ihr erzählte, wir würden zusammen nach Ahlbeck fahren.«
    »Du hast ihr davon erzählt?«
    Was hatte David während meiner Abwesenheit im Büro der Firma zu suchen? Zufällig? Mona war bei weitem nicht so verbindlich gewesen wie auf der Party, hatte ihm nicht einmal etwas angeboten. Da war ihm plötzlich die Idee

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