Perlensamt
gekommen, ihr zu erzählen, wir führen nach Usedom. Es war ein Mordsspaß gewesen, sie so zubeißen zu sehen. Sie war richtiggehend sauer geworden. Sie riß, obwohl es nun wirklich nicht warm war, ein Fenster auf. Alle Papiere segelten zu Boden. David tat ihr nicht den Gefallen, beim Aufheben zu helfen.
Der Zander sollte eine Spezialität der Küche sein. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran, wie er schmeckte. Ich starrte David ungläubig an. Sichtlich amüsiert erzählte er weiter, amüsiert von Monas Eifersucht, amüsierter noch von ihrer Behauptung, ich sei schwoll. Geradezu unbeholfen hatte sie die Blätter aufgehoben, als ein neuer Windstoß weitere Unterlagen vom Schreibtisch fegte. Endlich war sie auf die Idee gekommen, das Fenster wieder zu schließen. Als sie David immer noch im Türrahmen stehen sah und ihr langsam klar wurde, daß er das ganze Szenario äußerst komisch fand, war sie ausgerastet. Sie hatte ihn angebrüllt. Wer er sei … was er wolle … von Martin … von ihr? Was für eine perverse Lust er an der Zerstörung hätte? David schüttete sich vor Lachen fast aus.
»Du kannst ihre Vulva pochen hören, wenn du neben ihr stehst. Die ist so heiß, daß sie gar nicht weiß, wo sie sich lassen soll.«
Ich explodierte. Ich selbst war über die Heftigkeit meiner Reaktion am meisten überrascht.
»Du bist widerlich.«
»Hast du was mit ihr?« stieß David hervor.
Mich ekelte das vulgäre Gerede. Sex war kein Thema. Der Kellner kam an den Tisch. Er hatte gesehen, daß keiner von uns mehr aß und fragte höflich, ob wir etwas zu beanstanden hätten. Immerhin riß mich das aus meiner Wut.
»Ein Gesprächsthema, das uns mehr beschäftigt, als wir angenommen hatten. Der Fisch war sehr gut, aber … Sie können abräumen, bitte.«
Als der Kellner mit den Tellern gegangen war, äffte David mich nach.
»Der gut erzogene all american boy. Mama hat eine strenge Hand gehabt.«
»Was weißt du von meiner Mutter«, sagte ich kalt.
Tatsächlich fragte ich mich in diesem Augenblick, was Rosie in einer solchen Situation getan hätte. Ich stand auf. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging ich aus dem Restaurant, holte meinen Mantel und machte mich noch einmal auf zum Strand, um mir den Kopf durchblasen zu lassen.
ACHTZEHN
Es war ein Mittwochmorgen, als Mona ein Telephongespräch entgegennahm. Ich wurde von der Staatsanwaltschaft verlangt.
»Können Sie kommen? Sie müssen sich ausweisen. Es gibt einen von Herrn Alfred Perlensamt an Sie hinterlassenen Brief.«
»Was meinen Sie mit hinterlassen?«
In dem Augenblick, als die Stimme in der Leitung sagte, Alfred Perlensamt sei am Morgen gefunden worden, tot, stand David schon im Raum. Er war weiß im Gesicht. Er sagte nichts. Mona sah mich an, sichtlich verwirrt über die dramatische Szene.
»Man hat seinen Vater tot in der Zelle gefunden.«
Mona schob David einen Stuhl hin. Als er sich nicht setzte, drückte sie ihn vorsichtig auf die Sitzfläche. Sie verschwand und kam mit einem Glas Wasser zurück. Ich legte den Hörer hin. Mona strich sanft über Davids Schulter. Mit ruhiger Stimme fragte sie, ob er einen Arzt wolle. Er reagierte nicht. Sie reichte ihm das Wasser und zwang ihn zu trinken. Er sah geradezu nachlässig aus. Jeans ohne Gürtel. Ein Hemd halb zugeknöpft. Darüber ein altes Wolljackett. Schuhe ohne Strümpfe. Er war außer Atem, als wäre er gerannt.
»David, kannst du reden? Können wir etwas für dich tun?«
»Er hat sich umgebracht. Er hat mich gehaßt. Sie haben mich beide gehaßt. Sie hatten sich gewünscht, es hätte mich niemals gegeben. Ich bin schuld an ihrem Tod.«
Mona widersprach. Beschwörend und überdeutlich, wie man mit einem Kranken redet. Sie nahm seine Hand. Ich mußte an Edwiges Worte denken. David, das verlassene Kind. Er wollte eine Zigarette. Keiner von uns hatte eine. Mona lief hinaus, um weiche zu besorgen. Er wollte einen Drink. Ich ging in die Küche und holte Whisky. Mona kam mit den Zigaretten zurück und bot ihm eine an. Er schüttelte den Kopf. Als er sich erhob, war seine Bewegung zeitlupenlangsam. Er machte Anstalten, zu gehen. Ich bot ihm an, ihn zu begleiten. Er schüttelte den Kopf.
»Du kannst ihn nicht allein gehen lassen«, sagte Mona mit Nachdruck. »Wenn du nicht mitgehst, gehe ich.«
Sie war sich so sicher, was zu tun sei. Ich ließ sie gehen, erleichtert, daß nicht ich mich um ihn kümmern mußte.
Ich blieb im Büro, bis Mona wiederkam. Danach war es für die Staatsanwaltschaft zu spät
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