Perlensamt
gewesen. Am nächsten Tag mußte ich auf Geheiß unseres New Yorker Chefs nach Paris.
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie an dem Treffen der Anwälte teilnähmen, Saunders. Paßt das in Ihren Wochenplan? Ich weiß, es kommt plötzlich. Aber es wäre mir lieb, Sie vor Ort zu wissen.«
Ich kam der Aufforderung von D.D. Miles selbstverständlich nach. Eine Bitte aus New York hatte immer Priorität. Ich sagte Mona, daß ich am nächsten Morgen fliegen müsse.
»Schon gut. Ich habe einen Arzt geholt. Er hat ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen, und die Haushälterin sieht nach ihm.« Sie sah betrübt aus. »Jetzt fangen die Schnüffeleien von vorne an. Die Presse hat neuen Grund, Sensationen zu erfinden, wo eigentlich nur eine traurige Geschichte dahinter steckt.«
Ich war verblüfft, daß sie das sagte. Ich antwortete nicht darauf. Ich wollte mit ihr nicht über David reden, erst recht nicht mehr, seit ich in Ahlbeck gewesen war. Mona versuchte, zum Tagesgeschäft überzulenken.
»Sie haben den Courbet in die Weihnachtsauktion genommen. Danke dir noch einmal für deine Unterstützung.«
Ich nickte. Sie stand etwas unschlüssig vor ihrem Schreibtisch, immer noch den großen Schal um ihren Hals geschlungen, den Mantel über den Stuhl hinter sich geworfen, und machte den Eindruck als wüßte sie nicht, was als nächstes zu tun sei.
»Und David, die leeren Wände, die Sammlung, die Party, der Tod seines Vaters?«
»Berührt dich das jetzt? Auf einmal? Jetzt ist das doch egal. Der Mörder ist tot. Das Motiv werden wir nie erfahren.«
Noch auf dem Weg zum Flughafen beschäftigte mich Monas entsetztes Gesicht. Offenbar hatte Davids neue Situation ihr Mitgefühl geweckt, und sie verstand nicht, warum ich so abweisend war. Wie sollte sie auch. Ich hatte ihr nichts von Ahlbeck erzählt, kein Wort von dem, was David hatte verlauten lassen. Vergessen hatte ich nichts davon. Aber es war mir nicht recht, daß sie sich um die Familie Perlensamt und ihre Sammlung Gedanken machte. Das war inzwischen mein Terrain. Und seit dem Vorfall in Ahlbeck hatte sich mein Blick darauf verändert.
Ich nahm ein Zimmer im Hotel d’Angleterre. Mit nur fünf Minuten Verspätung kam ich zum Termin. Was besprochen wurde, war nicht neu. Aber Neuigkeiten waren ohnehin nicht der Grund, warum D.D. Miles mich hier wissen wollte. Es ging um den persönlichen Kontakt, darum, sich die Gesichter wieder vertraut zu machen, einfach dabei zu sein.
Nachdem die Besprechung zu Ende war, ging ich mit einem Kollegen von Duras, dem französischen Anwalt, in eine Bar und befragte ihn, was er über die Vorgehensweise der Botschaft in Paris während der Nazi-Zeit wußte.
»Einige Bilder in der deutschen Residenz wurden nicht in die Bestandslisten aufgenommen. Abetz behielt sie trotz Führerbefehl zurück. Die Verhältnisse sind kompliziert. Manche dieser Bilder wurden als Inventar der Botschaft geführt, wie aus übrig gebliebenen Handakten hervorgeht. Andere werden in diesen Akten als Privatbesitz von Abetz bezeichnet. Aber seien Sie sicher, daß auch ein Botschafter sich damals von seinem Geld keine Courbet, Utrillo, Bonnard kaufen konnte. Er hat sie sich über dunkle Kanäle einverleibt.«
»Das habe ich befürchtet.«
Er sah mich belustigt an, ohne wissen zu können, was ich meinte. Die Sammlung Abetz, Davids Sammlung, beruhte auf privater Plünderung. Aber wie hatte dieser Schmierlapp die Bilder nach Deutschland verbracht?
»Manche dieser Bilder sind, wie die französischen Gemälde aus der Sammlung Ribbentrop, in dem Gesamtkonvolut zwischen 1948 und 1951 an Frankreich restituiert worden. Einige sind nie wieder aufgetaucht.«
»War ein Courbet darunter? Ein Bild vom Meer?«
»Ganz sicher war mehr als ein Courbet darunter. Courbet hat viel gemalt und ist, wie Sie wissen, bei den Nazis sehr beliebt gewesen. Emotional. Realistisch. Einfach zu begreifen und doch kraftvoll. Aber wie gesagt, sie waren nicht alle gelistet.«
»Und die Beute der Kollaborateure?«
»Keine Ahnung, Grauzone. Gewiß ein riesiges Gebiet, in erster Linie voll von Spekulationen. Wir wissen ja gar nicht, was fehlt. Diese Privatsammlungen waren doch meistens nicht katalogisiert. Normaler Hausstand besserer Kreise. Oder wissen Sie genau, was im Haus Ihrer Großeltern hing?«
Ich dachte an das kleine Haus in Langenfeld. Rosie hatte sich darüber lustig gemacht, daß die Großmutter Buch über ihre Ausgaben führte, obwohl es kaum etwas auszugeben gab. Tatsächlich hatte es ein
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