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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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sie sich mit ihr anfreundete.
    Auf einmal wurde Senta unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Ein älterer Herr kam vorbeigestürmt und streifte dabei ihren Rucksack von der Bank. Ihr Handy rutschte aus der offenen Vordertasche und landete vor den Füßen des Mannes, der ihm mit der Fußspitze einen leichten Kick gab, sodass das Gerät unter die Bank schlidderte. Fassungslos über so viel Aggressivität bückte sich Senta schnell nach ihrem Handy. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass sich ein langer Kratzer über das Display ihres neuen Smartphones zog.
    »Scheiße!«, entfuhr es ihr laut, gerade als ihr Vater vorgefahren kam. Wütend schnappte sie ihre Sachen, warf sie mit Schwung in den Kofferraum und knallte die Klappe zu.
    »Willst du, dass ich ein Knalltrauma bekomme?«, begrüßte sie ihr Vater gut gelaunt.
    »Ich bin stinksauer.« Senta ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
    »Kein Grund, eine Kofferraumklappe zu quälen. Ein bisschen mehr Gefühl für Mechanik, wenn ich bitten darf!«
    »Jaja«, murrte Senta und provozierte damit Papa zu seinem Lieblingsspruch, »Jaja« sei gleichbedeutend mit »Leck mich am Arsch«. Und dass er sich so einen Ton verbitte.
    »’tschuldigung«, murmelte Senta und untersuchte ihr Handy. Papa nickte und schaltete das Radio an. Natürlich keine Musik, sondern den Nachrichtensender. Aber das war Senta heute ganz recht. Stumm starrte sie aus dem Fenster und versuchte, die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Wenn sie doch nur niemals umgezogen wären. Dann wäre ihr Handy noch ganz, sie müsste sich nicht um Leute wie Miriam kümmern und vielleicht, ganz vielleicht hätte sie sogar noch eine Chance, mit Riko zusammenzukommen.
    In der Wochenendausgabe der Zeitung prangte neben einem langen Artikel ein Foto der toten Lehrerin. Ihr voller Name lautete Xenia Polsterschmidt. Ein noch altmodischerer Name als meiner, dachte Senta und sah sich das Foto genauer an. Sofort bemerkte sie die gekräuselten schlohweißen Haare, die am ganzen Kopf mindestens sechs Zentimeter weit abstanden – wie Zuckerwatte. Auch der dünne Hals und das blasse, magere Gesicht, an dem alles hervorzustehen schien, waren auffällig. Besonders das Kinn. Eine Schönheit war sie wahrlich nicht gewesen, die ehemalige Deutsch- und Geschichtslehrerin, die, wie Senta aus der Zeitung erfuhr, ursprünglich aus München stammte. Sie war siebenundfünfzig Jahre alt geworden und es stand fest, dass sie gewaltsam ums Leben gekommen war. Senta erschauderte bei dem Gedanken, dass man die Leiche der Lehrerin erst über ein Jahr später gefunden hatte. Und das keine tausend Meter von ihrem neuen Zuhause entfernt. Noch stärker aber beunruhigte sie die Tatsache, dass es offenbar einen Mörder gab, der frei herumlief. Und der vielleicht sogar in ihrer Nähe lebte.
    Senta legte die Zeitung zur Seite und verscheuchte die beängstigenden Gedanken. In genau sechs Stunden würden im Spritzenhaus Miriam und die Hofdamen auf sie warten. Senta war immer noch nicht wohl beim Gedanken an die Mutprobe. Aber hatte sie eine Wahl? Wenn sie nicht dort erschien, würde sie einen noch schwereren Stand in der Schule haben. Wenn sie kniff, würden die vier Mädchen mit Sicherheit eine Hetzjagd auf sie eröffnen. Schon den ganzen Vormittag versuchte Senta, Leni zu erreichen. Aber immer erwischte sie nur den Anrufbeantworter der Familie oder Lenis Handy-Mailbox. Dabei hätte sie heute so dringend den Rat ihrer Freundin gebraucht. Leni war der einzige Mensch, mit dem sie die verzwickte Lage hätte besprechen können. Klar gab es auch noch ihre Eltern, aber deren Kommentare zu Mutproben kannte sie schon. Am Ende würde sich ihr Vater einmischen und dann hätte sie ein noch viel größeres Problem.

5
    Als der Abend anbrach schnappte sich Senta ihr Fahrrad und radelte an den Treffpunkt, zum alten Spritzenhaus des Dorfes. Sie hatte das Gebäude selbst noch nie betreten. Von ihrer Mutter wusste sie aber, dass hier früher einmal die Dorffeuerwehr untergebracht gewesen war. Neben dem Haus lag immer noch der mittelgroße Teich, aus dem man das Löschwasser gepumpt hatte.
    Sie hatte sich entschieden, erst einmal herauszufinden, welche Art von Mutprobe sie erwartete.
    Die Begrüßung der drei Hofdamen fiel gewohnt kühl aus. Noch immer hatte Senta den Eindruck, dass keine von ihnen auch nur das geringste Interesse an ihrer Anwesenheit hatte. Die mögen mich nicht und ich sie auch nicht. Was will ich also hier? Senta spielte gerade mit dem Gedanken umzukehren,

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