Perlentöchter
Frauen gleichzeitig.
Simon stieß ein lautes Lachen aus. »Das ist aber nicht dieser riesige schwarze Labrador, der schon seit einer Ewigkeit draußen in dem Geländewagen sitzt. Ich war kurz davor, ihn rauszulassen, als jemand kam, um ihn zu holen.«
Der Notar nickte. »Er ist nach einem englischen Kriegsdichter benannt. Ihre Großtante hatte sehr viel für diese Literatur übrig, wie Ihnen vielleicht bekannt ist.«
»Aber Phoebe hatte doch gar keinen Hund.«
Graces Stimme war nur noch ein Piepsen.
»Darf ich fragen, wann Sie sie zuletzt besucht haben?«
Es klang fast wie eine Rüge.
Ihre Schwester zog einen Schmollmund. »Vor zehn Jahren.«
Caroline hörte, wie ihre eigene Stimme sich zu Wort meldete. »Ich war letztes Jahr hier.«
»Dann haben Sie den Hund wohl knapp verpasst.« Der Notar blickte sie an. »Ihre Großtante hat ihn erst vor ein paar Monaten aus dem Tierheim geholt.«
»Aber das ist lächerlich.« Grace sprang von ihrem Stuhl auf. »Ich habe einen Job. Einen richtigen Job. Ich kann mich nicht um einen Hund kümmern, geschweige denn um einen ohne Stammbaum. Ich kann mir nicht einmal den Luxus leisten, einen Mann zu haben oder Kinder!«
»Dann schlage ich vor, dass Sie sich das gründlich überlegen.« Die Stimme des Notars war höflich, aber bestimmt. »Es war Phoebes ausdrücklicher Wille, dass Wilfred an Sie geht. Dazu kommen eine kleine Aufwandsentschädigung und ein Begleitbrief.«
Was stand darin? Caroline beobachtete fasziniert, wie Grace den Umschlag an sich nahm und in ihre cremefarbene Clutch gleiten ließ, ohne ihn überhaupt zu öffnen.
Die Rückreise hätte nur halb so lange gedauert, hätten sie nicht immer wieder anhalten müssen, damit Wilfred sich auf diversen Wiesen und Rastplätzen erleichtern konnte.
»Ich wusste, dass der Köter an uns hängen bleibt.«
Caroline war bewusst, dass sie sauer klang, aber sie konnte es nicht ändern. Typisch! Grace haute einfach ab nach London, nachdem sie darauf beharrt hatte, dass Caroline als Einzige von ihnen in der Lage sei, ein vierbeiniges Vermächtnis anzunehmen – schließlich habe sie ein Haus mit Garten, und die Kinder hätten sich schon immer einen Hund gewünscht, oder? Außerdem sei Caroline den ganzen Tag zu Hause und habe nichts Besseres zu tun, als mit ihren Farben herumzumatschen und so weiter und so fort.
Also gut, hörte sie sich sagen. Aber verstieß das nicht sinngemäß gegen den letzten Willen ihrer Großtante?
»Wir können ja tauschen. Hund gegen Perlen«, hatte Grace geantwortet.
Vergiss es, hätte sie am liebsten erwidert. Solange sie zurückdenken konnte, hatte ihre Großtante die Kette getragen. Davor hatte sie Carolines Großmutter gehört und davor ihrer Urgroßmutter Louisa, auch bekannt als »die arme Louisa«, obwohl Caroline nicht mehr genau wusste, warum sie so genannt wurde und es nun bedauerte, dass sie den Geschichten ihrer Mutter nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Einerseits spürte sie ein Kribbeln vor Freude, weil ihre Großtante es für angemessen gehalten hatte, ihr die Perlen zu vermachen, was vermuten ließ, dass sie doch etwas für Caroline übrig gehabt hatte. Andererseits war sie wütend, weil sie Grace nachgegeben hatte, was Wilfred betraf, der gerade versuchte, den Sicherheitsgurt auf dem Rücksitz durchzukauen.
»Wir schaffen das schon.« Simons Stimme unterbrach sie in ihren Gedanken, die er lesen konnte wie kein anderer. »Außerdem steht dir das Collier bestimmt. Ich fand schon immer, dass du ein Perlenmädchen bist. Mach schon. Leg es an.«
Sie öffnete das Etui in ihrem Schoß und nahm das Collier heraus. Es waren zwei Reihen. Eine mit einem wunderschönen Diamantverschluss und Perlen, die etwas kleiner waren als die der anderen Reihe. Zwischen jede einzelne Perle war offenbar ein Knoten geknüpft, wahrscheinlich sollte so verhindert werden, dass die Perlen verloren gingen, falls die Kette riss.
Schweigend griff Simon an die Sonnenblende auf der Beifahrerseite und klappte den Spiegel herunter. Caroline öffnete vorsichtig den Diamantverschluss und legte die Kette um den Hals. Die Perlen fühlten sich kalt an auf ihrer warmen Haut, und der Verschluss war knifflig, ungewohnt. Normalerweise trug sie keinen Schmuck außer ihrer Armbanduhr und Ohrringen. Die zweite Reihe war leichter zu schließen, obwohl das Einfädeln des Sicherheitshäkchens so verzwickt war, dass es ihr lange nicht gelingen wollte.
»Es ist wunderschön.«
Simons Stimme klang so belegt, wie wenn
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