Perlentöchter
Stehplätze gab, übertönten Graces anhaltendes Geflüster.
»Hör auf«, zischte Caroline schließlich zurück. »Mummy würde das nicht gefallen.«
Grace schnaubte, aber Caroline sah ihrer Schwester an, dass ihre Worte den beabsichtigten Effekt erzielt hatten. Ihre Mutter würde, wenn sie noch lebte, tatsächlich von ihnen erwarten, sich anständig zu benehmen. Außerdem waren sie es Tante Phoebe schuldig.
Manchmal, dachte Caroline, während sie im Gänsemarsch hinter geraden Rücken in einem Aufgebot von Tweedjacketts und dunkelgrauen Anzügen die Kirche verließ, war es ganz gut, dass es bei Trauerfeiern nicht den »Hat jemand etwas einzuwenden?«-Part gab wie bei Hochzeiten.
Wussten alle diese Menschen hier, wie Tante Phoebe wirklich gewesen war? Und wenn ja, waren sie gekommen, weil sie mit ihrem weitläufigen Herrenhaus und ihren Vogelaugen, die jemanden in einer Entfernung von zweihundert Metern noch erkannten, als die Grande Dame des Dorfes gegolten hatte? Ihre Sehkraft hatte nicht gelitten, aber sie hatte sich über ihr launisches Gehör beklagt. Simon, der sie nicht ausstehen konnte und sie immer als Snob bezeichnet hatte, behauptete damals, das sei nur Gerede und sie könne alles hören, wenn sie nur wollte.
»Da bist du ja!« Sie spürte in der Menge die Hand ihres Mannes auf ihrem Rücken, bevor sie ihn sah. Er tat gerade so, als wäre sie diejenige, die ihn versetzt hatte, statt umgekehrt.
»Hast du den Gottesdienst verpasst?«
»Keineswegs.« Simon grinste breit, als hätte er einen tollen Trick zustande gebracht. »Ich habe draußen jedes Wort verfolgt, zusammen mit den anderen Glücklosen, die es nicht mehr geschafft haben, sich hineinzuquetschen. Offenbar eine beliebte Frau, deine Großtante. Bloß gut, dass es hier Lautsprecher gibt.«
Von wegen, lag es ihr auf der Zunge. Du bist im Wagen sitzen geblieben und hast das Cricketspiel verfolgt, während du so getan hast, als würdest du geschäftlich telefonieren, nicht wahr?
»Und bevor du fragst: Ich bin nicht einfach im Wagen sitzen geblieben und habe mir die Liveübertragung angehört oder mit der Redaktion telefoniert.« Simon neigte den Kopf zu einer gut gekleideten Frau, die aussah wie Ende siebzig, nach Chanel N°19 roch, was zufällig Carolines Lieblingsparfüm war, und eine klassische Kombination im Stil von Jaeger trug, bestehend aus einem violetten Bleistiftrock und passendem Blazer. Die Frau mit dem Turban, der ihr vorhin aufgefallen war!
»Ich sagte Ihnen ja, dass meine Frau misstrauisch sein wird. Bitte, Diana, Sie können mein Alibi bestätigen.«
»Das stimmt.« Sie sprach mit leicht amerikanischem Akzent. »Wir standen während der ganzen Messe nebeneinander. Ihr Mann hat mir sogar alles über Sie und Ihre reizenden Kinder erzählt, genau wie über seinen faszinierenden Beruf bei einer Zeitung, die ich zufällig regelmäßig beziehe. Außerdem war er so freundlich, mir ein Programmheft zu besorgen.«
Der Name Diana kam Caroline irgendwie bekannt vor. »Waren Sie mit Phoebe befreundet?«, fragte sie, ohne unhöflich klingen zu wollen. Es war nicht immer einfach, auf Trauerfeiern zu fragen, wer zu wem gehörte, im Gegensatz zu Hochzeitsfeiern, die normalerweise freudigen Anlass boten.
»Wir kannten uns schon sehr lange.« Die Frau schien Caroline neugierig zu mustern. »Ich muss sagen, meine Liebe, Sie sehen noch sehr jung aus dafür, dass Sie drei Kinder haben.«
Caroline errötete vor Freude, obwohl sie dieses Kompliment häufiger zu hören bekam. »Ich habe früh angefangen.«
Die ältere Frau nickte anerkennend. »Das kann sehr weise sein. Verzeihen Sie mir, bitte, aber ich muss nun gehen.« Sie heftete den Blick auf Simon, als wollte sie auch ihn mustern. »Vielen Dank für Ihre Gesellschaft.«
Zusammen machten sie sich auf den Weg zu dem Torbogen, während Diana sich geschickt durch die Menge vor ihnen schlängelte und die Köpfe sich nach ihrem violetten Federturban drehten.
»Eine faszinierende Frau«, bemerkte Caroline.
»Du meinst wohl verrückt.« Simon blickte sich um, so wie er das bei großen Anlässen immer tat, ständig Ausschau haltend nach einem bekannten Gesicht oder nach etwas, was sich für eine Story eignete. »Ich nehme an, Grace hat es nicht geschafft?«
O Gott! Auf der Suche nach ihrem Mann hatte sie nach dem Gottesdienst glatt ihre Schwester vergessen. Wahrscheinlich zündete Grace sich in diesem Moment vor dem Altar eine an oder plauderte mit dem Pfarrer, der recht attraktiv war und an
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