Pern 03 - Drachengesang
Jungen dastanden. Sie hatte sich damals ähnlich gefühlt, in jener Höhle der Küstenklippen, als die winzigen Echsen aus ihren Eiern schlüpften, rasend vor Hunger.
Gleich darauf aber wurde der Unterschied deutlich: Die Feuerechsen hatten keine fremde Hilfe erwartet; der Instinkt trieb sie dazu, ihre leeren Mägen so rasch wie möglich vollzu-stopfen. Die Drachen dagegen schauten sich erwartungsvoll um. Einer stolperte an dem ersten Jungen vorbei, der ängstlich 190
zur Seite wich, und fiel dem nächsten, einem hochgewachsenen, schwarzhaarigen Burschen, tolpatschig vor die Füße. Der Junge kniete nieder, half dem kleinen Drachen auf und schaute ihm in die kreisenden Regenbogen-Augen.
Eine Faust schien Menolly das Herz zusammenzupressen. Ja, sie hatte zwar ihre Feuerechsen, aber … einen Drachen zu besitzen … Verwirrt überlegte sie, wo Prinzessin, Rocky, Taucher und all die anderen sein mochten. Sie fehlten ihr – sie sehnte sich so nach Prinzeßchens Wärme.
Ein Riß klaffte mit einemmal in der goldenen Schale, verbreiterte sich. Ein kräftiger kleiner Schnabel hackte sich den Weg ins Freie, und das Drachenkind fiel mit lautem Geschrei in den Sand. Drei der Mädchen bückten sich und halfen der kleinen Königin auf die Beine; dann traten sie zögernd zurück und schauten Brekke an. Menolly wagte nicht zu atmen. Brekke schien nicht zu bemerken, was rund um sie vorging. Sie wirkte kraftlos, gebrochen. Die kleine Königin wandte Brekke den Kopf zu, starrte sie mit riesigen, glitzernden Augen an …
In diesem Moment sah Menolly aus dem rechten Augenwinkel, wie eine Bronze-Echse über die Brutstätte schwirrte. Doch nicht etwa Taucher? Aber das konnte nicht sein, denn die Echse umflog mit einem hellen, zornigen Kreischen den Kopf des kleinen Golddrachen. Mit einem Schrei wich die junge Königin zurück und breitete instinktiv die Flügel aus, um ihre empfindlichen Augen zu schützen.
Drachen auf den Felsvorsprüngen begannen warnend zu trompeten, und Ramoth schüttelte die Schwingen. Eines der Mädchen warf sich zwischen die Königin und den kleinen Angreifer.
»Berd! Nicht!« Auch Brekke lief los und streckte die Arme nach der zornigen kleinen Bronze-Echse aus.
Die junge Drachenkönigin wimmerte und barg ihren Kopf im Schoß des Mädchens, das sich schützend vor sie gestellt hatte.
Die Fremde sah einen Moment lang zu Brekke hinüber, 191
angespannt, beunruhigt. Dann streckte Brekke lächelnd die Hand aus. Die Geste dauerte nur einen flüchtigen Moment, dann stieß die kleine Königin das Mädchen gebieterisch an und meldete, daß sie Hunger hatte.
Als Brekke sich abwandte, war sie nicht mehr die Schla fwandlerin von vorher. Sie ging mit gezielten Schritten zum Ausgang, umflattert von der kleinen Bronze-Echse, die zugleich schimpfte und schmeichelte – genau wie Prinzessin, wenn Menolly etwas tat, das ihr nicht paßte.
Menolly merkte erst, daß sie weinte, als ihr dicke Tränen auf die bloßen Arme tropften. Sie warf einen hastigen Blick zu den Bergleuten, aber die beachteten sie nicht. Sie verfolgten angespannt, was sich auf der Brutstätte abspielte. Aus ihren Gesprächen schloß sie, daß ein Junge ihrer Gilde zu den Auserwählten gehörte und sie nun ungeduldig darauf warteten, ob er Erfolg hatte. Einen Moment lang war Menolly wütend auf die groben Klötze. Hatten sie etwa nicht Brekkes Heilung mitangesehen? Begriffen sie nicht, was für ein Wunder das war? Ach, und wie glücklich Mirrim jetzt sein würde!
Menolly ließ sich erschöpft zurücksinken, völlig im Bann der emotionsgeladenen Ereignisse.
Und Brekkes Gesichtsausdruck, als sie unter dem Torbogen durchging! Manora war da und strahlte, und der fremde Mann, der wohl F’nor sein mußte, hob Brekke auf seine Arme und trug sie hinaus. In seinen müden Zügen spiegelte sich Erleic hterung und Freude.
Aus dem Triumphgeschrei der Bergleute schloß Menolly, daß ihr Kandidat es geschafft hatte, auch wenn sie nicht genau erkannte, welchen der Jungen sie meinten. Die meisten Bewerber hatten inzwischen einen Drachen als Partner gewo nnen und versorgten mit Eifer die ungeschickten, hungrigen kleinen Tiere.
Menolly saß da und freute sich über Brekke, aber auch über die Entschlossenheit und den Mut der Bronze-Echse, die sogar 192
Ramoths Zorn getrotzt hatte. Warum, überlegte sie, wollte Berd nicht, daß Brekke eine neue Königin für sich gewann?
Egal. Immerhin hatte das Experiment Brekke aus ihrer Lethar-gie gerissen.
Drachen landeten
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