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Perry Clifton und der Spionagering Rosa nelke

Perry Clifton und der Spionagering Rosa nelke

Titel: Perry Clifton und der Spionagering Rosa nelke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Realität hatte soeben den Laden verlassen. Eine Realität mit Namen Long. Erik Burly wußte nicht, daß Long nur einer von vielen Namen war. Von einem Makler namens Colfield hatte er noch nie gehört.
    Das leise Klappen der Tür im Hintergrund ließ ihn aufspringen. Er durfte sich seine Verzweiflung nicht anmerken lassen. Rasch stopfte er Zettel und Schlüssel in die Tasche, zum Verschwindenlassen des Geldbündels reichte es allerdings nicht mehr.
    „Hallo, Dad, ist dir nicht gut?“
    Burly zwang sich zu einem Lächeln. „Es geht schon wieder, Cathy. Mir war nur einen Augenblick lang schwindlig.“
    Besorgt musterte das Mädchen ihren Vater. Wenn sie nur wüßte, was mit ihm los war, was ihn seit Monaten ‘bedrückte und ihm so sehr angst machte.
    Ja, Angst war das richtige Wort. Oft hörte sie ihn nachts ruhelos herumgehen. Und manchmal rief er auch im Schlaf irgendwelche Dinge, die sie nicht verstand. Verwundert sah sie, wie er versuchte, unauffällig seine Hand über das Geldbündel zu schieben. Als er ihren Blick bemerkte, zog er sie zurück, als sei er an ein heißes Bügeleisen gekommen.
    „Hat es mit der Uhr des alten Mannes nicht geklappt, Dad?“
    Er schüttelte den Kopf. „Er verlangte zuviel...“ Und während er ihr mit zärtlicher Behutsamkeit über die Haare strich, sagte er: „Wir machen den Laden für den Rest der Woche zu, Cathy. Ich muß verreisen.“
    Der Versuch, seine Stimme forsch und gewichtig klingen zu lassen, versagte kläglich, und er wußte es auch. „Mein Gott“, durchfuhr es ihn, „wenn ich doch nur mit jemandem reden könnte...“
    „Du fährst fort? Für wie lange?“
    Cathy sah ihren Vater mit großen Augen an. „Ein, zwei Tage, Kleines. Ich wollte es dir schon heute früh sagen, aber dann habe ich es vergessen...“ Sein Schulterzucken, das die Lüge kaschieren sollte, fiel verlegen und hilflos aus.
    Cathy nickte stumm. Dann fragte sie: „Und wohin fährst du?“
    Mit äußerster Willenskraft zwang sich Burly dazu, seine Stimme harmlos klingen zu lassen.
    „Es handelt sich wieder um den alten Schulkameraden in Birmingham, mein Kleines.“
    „Dann fährst du also nach Birmingham!“
    Nicken, dann: „Glaubst du, daß du mit Jens und Billie klarkommst?“
    „Mach dir nur keine Gedanken, Dad. Ich werd’ schon gut für sie sorgen. Wann mußt du denn fahren?“
    „Bald. Ich gehe jetzt wieder in die Werkstatt. Will sehen, daß ich Mrs. Carols Uhr noch in Ordnung bringe.“
    Er nahm rasch das Geld vom Tresen und ging nach hinten. Cathy sah ihm nach, bis das Geräusch der zufallenden Tür zu ihr drang. Sie wußte nicht genau, warum — aber am liebsten hätte sie jetzt geweint.
    Als sie sich setzen wollte, fiel ihr Blick auf ein Stück Papier, das, leicht zerdrückt, auf dem Boden lag. Und zwar genau an der Stelle, wo eben noch Erik Burly gestanden hatte. Sie hob es auf: „Apartment 34, Hatterson Square 12, Plymouth IV“ las sie, und plötzlich war ihr klar, daß ihr Dad nicht nach Birmingham fahren wollte.
    Langsam und nachdenklich faltete sie den Zettel zweimal zusammen und schob ihn in die Tasche ihres Schottenrockes...
    Mike Godley sah auf seine Uhr.
    14 Uhr 15.
    Der Hunger zupfte an seinen Magenwänden, und er verfluchte seine Dummheit, das Mittagessen abgelehnt zu haben. Aus welchen Gründen auch immer. Nur ein kräftiger Mann war ein einsatz- und handlungsfähiger Mann. Noch war er einsatz- und handlungsfähig. Noch...
    Er sprang von seiner Pritsche, schob den Stuhl unter das Fenster und sah hinunter. Dorthin mußte er zurück. Nur das pulsierende Leben war es wert, gelebt zu werden. Eine Zelle war etwas für Scheintote. Er mußte hier heraus, und zwar schnell.
    Von Colfield war keine Hilfe zu erwarten, das wußte er. Das gehörte zu den ungeschriebenen Gesetzen dieser Branche. Hier konnte er sich nur selbst helfen. Befand er sich erst einmal im Gefängnis, würde es schwerer und aufwendiger sein zu fliehen.
    Er stieg wieder herab, warf sich auf die Matratze, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, schloß die Augen und begann nachzudenken...
    Das Zimmer, in dem er verhört wurde, befand sich im ersten Stock. Und zwar auf der Rückseite des Gebäudes, die einem kleinen Park zugewandt war.
    Seine einzige Chance bestand in einem Sprung durch das Fenster, das geschlossene Fenster! Mike Godley glaubte sich genügend durchtrainiert, um einen solchen Sprung über vier bis fünf Meter unbeschadet zu überstehen — wenn... ja, wenn er nicht mit Handschellen gefesselt war.

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