Perry Rhodan - 2573 - Dorksteigers Dilemma
»Nicht mehr so bitter. Nicht mehr zu süß.«
»Wirst du über mein Angebot nachdenken?«, fragte Lexa.
»Ja«, versprach sie.
*
Sie kehrte nicht auf die Krankenstation zurück. Lexa hatte ihr ein eigenes Quartier
angewiesen: ein überraschend geräumiges Zimmer. Es war schlicht, aber geschmackvoll
ausgestattet.
Eine kleine Infothek mit verschiedenen Arten von Datenträgern. Eine Nische, in der sie sich
mit Nahrungsmitteln versorgen konnte. Eine Hygienezelle.
An der Wand gegenüber der Tür ein langes schmales Holofenster mit einem Sternenspektakel:
Doppelsonnenaufgang über einem urweltlichen Planeten.
Hatte Lexa sie für seine Terraner gewonnen? Sie musste nachdenken.
Er mochte glauben, dass sie, weil er sie gerettet hatte, in seiner Schuld stand. Aber er
sollte wissen, dass sie keine Frau war, die solche emotionalen Konten führte. Sie war
Wissenschaftlerin.
Schließlich hatte sie nicht darum gebeten, von den Terranern aus dem Wrack der VOSTAR geborgen
zu werden.
Möglicherweise hätten die Autoreparaturroutinen des Schiffes sich nach einiger Zeit von dem
Schock der Havarie erholt und wären in der Lage gewesen, sie und Fyrt medizinisch zu
versorgen.
Immerhin musste sie zugeben, dass ihre Loyalität der Frequenz-Monarchie gegenüber gelitten
hatte.
Dass sie sich, wenn sie ehrlich war, in Schwaden verflüchtigt hatte, dünn wie die Schwaden
über der terranischen Bitterbrühe.
Sichu Dorksteiger sah sich in einem Dilemma: Wenn sie das Angebot des Terraners ablehnte,
konnte sie der Frequenz-Monarchie treu bleiben, dem Status quo in Anthuresta. Sie würde damit
allerdings ihre wachsenden Zweifel am System niederkämpfen müssen. War ein Friede, wie die Vatrox
ihn garantierten, die Opfer wert? Opfer wie die beiden Kolonialwelten der Ka'al, die
Frequenzfolger Hochalon durch eine künstlich erzeugte Supernova hatte zerstören lassen, weil aus
ihrem System ein Angriff auf ein Schiff der Vatrox vorgetragen worden war?
Sie hatte kein Wort mit einem der Ka'al gesprochen. Sie hatte nichts von deren Kultur gewusst.
Das große Bild der leuchtenden Unterwasserstadt, das sie gesehen hatte, war ihr freundlich
erschienen und lebensfroh.
Was hieß das schon? Es waren bloße Äußerlichkeiten. Nichts sprach dagegen, dass die Ka'al
dennoch blindwütige Eroberer waren, fanatische Feinde der Frequenz-Monarchie; erbarmungslose
Verräter.
Aber es sprach auch nichts dafür.
Außer Hochalon.
Aber wie auch immer, ein Volk von Verrätern oder nicht: Ersparte der Tod dieser planetaren
Bevölkerung Billionen anderen den Tod? Ließ sich so kalkulieren? Gab es einen Algorithmus, nach
dem sich errechnen ließ, wie viele Tote wie viele Leben wert waren?
Gab es einen anderen Weg?
Und: wieso sollten ausgerechnet die Terraner ihn kennen? Ihr wurde bewusst, dass sie auch hier
mit Unbekannten rechnen musste.
Einerseits.
Was, andererseits, wenn sie auf die Seite der Terraner überlief und sich und ihr Wissen Stuart
Lexa und seinem Volk zur Verfügung stellte? Was, wenn sie eben damit den Unfrieden, den Krieg,
die Verheerung von Anthuresta einleitetete, all das, was sie verhindern wollte?
Ja, was?
Sie war ratlos wie nie zuvor. Und wütend darüber, dass man - wer auch immer: die Vatrox, der
blödsinnige Hypersturm, die Terraner ... - sie in diese Situation gebracht hatte.
Warum ich?
Sie schaute auf das Holo mit dem Sternenspektakel. »Kann ich etwas anderes sehen?«
Eine leise, vage weibliche Stimme erklang: »Was möchtest du lieber sehen?«
»Ich weiß nicht.« Sie überlegte. Lexa hatte über die Hathor, ihre möglichen Ahnen, geredet,
die in einer Sterneninsel namens Andromeda gelebt haben sollten. Sie war neugierig geworden auf
diese Terraner. »Etwas aus der terranischen
Geschichte vielleicht? Oder ... etwas, das die Terraner sehen, wenn sie sich entspannen
wollen.«
»Einen heiteren Film aus ihrer Geschichte?«
»Ja.«
»Ich zeige dir die früheste Aufzeichnung, die mir zur Verfügung steht.«
Das Sternenspektakel verschwand. Sie sah eine Darbietung in einer merkwürdigen
Farbkomposition: in Schwarz, Weiß und Grau. Es war keine wirkliche Holografie, sondern ein nur
flächiges Bild: zwei Terraner, der eine sehr schmal, geradezu dürr, der andere umso beleibter.
Beide trugen eine halbkugelige Kopfbedeckung mit Krempe.
Sie befanden sich auf der Straße einer primitiven Stadt, die Häuser aus Holz und Stein.
Es schneite.
Die beiden Terraner
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