Perry Rhodan - Jupiter
Pao fragend an. Wie war es jetzt mit ihren präkognitiven Fähigkeiten bestellt? Hatte sie vorausgeahnt, was mit ihm geschehen würde?
Er sah sie von der Seite her an, küsste probeweise ihre Wange. Sie schmeckte wächsern und abweisend, wie eine Bananenschale. Sie schien seinen Kuss nicht zu bemerken.
Sie schien ihn selbst nicht zu bemerken.
Einen furchtbar bodenlosen Augenblick zweifelte er selbst an seiner Existenz, so als gäbe es ihn nur in ihrem Bewusstsein. Eine fahle Spiegelung ihrer Tagträume.
»Wir gehen in meine Wohnung«, entschied sie.
Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie einen Engel herbeigerufen hätte, sie und ihn fortzutragen.
Sie nahmen ein Gleitertaxi. Das Taxi unternahm einen erfolglosen Versuch, seine beiden Gäste in eine Konversation zu verstricken. Es flog sie auf Paos Anordnung hin Richtung Südosten. Schimkos schaute aus der Kanzel; das Firmament weit und unzugänglich. Einmal glaubte er, einen Schwarm Vögel zu sehen, doch als der Gleiter dem Schwarm näher kam, sah er, dass es Engel waren, die sich mit sparsamen Schlägen ihrer Fittiche durch die Nacht bewegten.
Wohin? Was hatten sie hier verloren, hoch oben in der Nachtluft und allen Menschen fern, die sie doch erbaut oder gezüchtet hatten, zu ganz profanen Zwecken?
Wieder befiel ihn das Gefühl, etwas ginge vor in dieser Stadt, und er könnte den Sinn hinter allem entdecken, wenn es ihm bloß gelänge, die Chiffren ihrer Flügelschläge zu enträtseln, ihres Formationsflugs. Hatte nicht alles etwas zu bedeuten? War nicht alles voller Zeichen und Hinweise?
Schon glaubte er zu verstehen, doch dann drehte der Engelsschwarm ab, und Spiros Schimkos schloss erschöpft die Augen.
Das Taxi flog unbeirrt weiter.
»Woher kommen die Engel?«, fragte Schimkos das Taxi.
»Soweit ich mich entsinne, waren sie immer schon da.«
»Scheiße«, sagte Schimkos. Wie alt würde der Gleiter schon sein? Einhundert Jahre? Zweihundert?
Schimkos sah Pao an.
»Die Engel?«, fragte sie. »Was wundert dich an ihnen? Das ist die Stadt der Engel. Die Engel sind ihr Wappen. Ihr Sinnbild.«
»Sie sind künstlich«, sagte Schimkos. »Irgendwer hat sie gemacht.«
Pao lächelte abwesend und fuhr sich über die Augen. »Die meisten ja, ganz sicher. Aber manche meinen, es hätten sich irgendwann auch biogene Wesen daruntergemischt. Eine andere Sternennation, weißt du.«
Schimkos lachte ungläubig. »Aliens, die am Liga-Dienst vorbei Terra infiltriert hätten?«
»Infiltriert? Vielleicht sind sie einfach eingewandert, mit Zustimmung der Regierung.«
»Aber ohne dass man die Bevölkerung informiert hätte? Absurd.«
»Sag das nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierung etwas in die Wege geleitet hätte, ohne uns vorab darüber zu informieren. Die Regierung, die Minister, der Resident.«
Er nickte. Sie hatte wohl Recht.
»Außerdem«, fuhr Pao fort, »könnte es doch sein, dass der Liga-Dienst weder allmächtig noch allwissend ist. Und dann ...«
Er nickte wieder. Ja, dann wäre es möglich. Er blickte aus der Kanzel, aber er hatte den Schwarm längst aus den Augen verloren.
Die Informationspolitik des Liga-Dienstes, der Regierung ... Schimkos hatte nie Anlass gesehen, Henrike Ybarri, der Ersten Terranerin, zu misstrauen. Nicht dass er sie gewählt hätte – Schimkos konnte Wahlen nichts abgewinnen. Er fühlte sein Leben wohl verwahrt von den großen, positronischen Maschinen, die über seine Gesundheit wachten, seinen Wohlstand, die Sicherheit seiner Reiserouten. Und er hatte es immer als eine Art Gegenleistung begriffen, im Whistler-Museum tätig zu sein, wo die Ahnen der aktuellen Rechner und künstlichen Intelligenzen ein Refugium hatten.
Er schüttelte den Gedanken ab.
Dort, wo der Rio Hondo in den Los Angeles River floss, erhoben sich zehn oder zwölf himmelhohe Konstruktionen aus Stahlgeflecht. Fragil wirkende Brücken verbanden die einzelnen Türme. In den Geflechten hingen ovale, kugel- und würfelförmige Zellen – die Wohneinheiten, offenbar teilmobil installiert. Einige Zellen sanken, andere stiegen. Manche rotierten gemächlich in ihren stählernen Fassungen.
»Da wohnst du?«, fragte Schimkos.
»Die New Watts Towers«, murmelte sie.
Er fühlte sich leer, leblos, ausgehöhlt, desinteressiert an allem.
Auch an Pao?
Plötzlich stieg Begehren in ihm auf, Gier, nicht nach Pao, sondern nach dem Pulver, das sie ihm verabreicht hatte. Ihm war, als müsste diese Substanz dazu taugen, ihm wieder eine Brücke zu Pao zu
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